11. Mai 2018
Pedra Longa „Marinaio di foresta“, 6a+, 7 SL
Endlich meldete der sardische Wetterbericht eine stabile Hochdrucklage mit viel Sonnenschein. Dies war für uns das klare Signal, eine Mehrseillängen-Route in Angriff zu nehmen. Nach den vielen absolvierten Linien im Klettergarten freuten wir uns, wieder einmal in einer höheren Wand die frische Luft unter den Sohlen zu spüren.
Mit der „Marinaio di foresta“ am Felsturm der Pedra Longa war das Ziel schon länger bekannt, allerdings war bis dato das Wetter einfach zu unsicher gewesen. Die sehr empfehlenswerte Route startet direkt über dem Meer und ist in wenigen Minuten Abstieg einfach zu erreichen.
Bei strahlendem Sonnenschein und glitzerndem Meer machten wir uns bereits beim Parkplatz für die Kletterei bereit. Da wir im Abstieg direkt an diesem Platz wieder vorbeikamen, war dies ein weiser Entscheid. Über eine Treppe gelangten wir rasch runter ans Meer und querten auf einem horizontalen Band zum Einstieg.
Bereits auf diesen wenigen Metern wurde uns bewusst, wie aggressiv und scharfkantig der Fels war. Die Vorfreude auf die kommenden Klettermeter erreichte ihr Maximum, als wir vom Einstieg in die erste Seillänge hochblickten. Wow! Das sah doch sehr verlockend aus.
Hans, unser Organisator und seines Zeichens Chef der ganzen Truppe, übernahm den Lead und stieg mit Jacqueline im Schlepptau ins unbekannte Terrain hoch. Schon auf den ersten Metern äusserte er sich wohlwollend über den angetroffenen Fels. Markus und ich konnten es kaum erwarten den beiden zu folgen.
Das tiefblaue Meer, die umliegenden Kalkwände und die wärmenden Sonnenstrahlen sorgten für ein wirklich zauberhaftes Licht, das mit dem Fotoapparat nur in bescheidenem Rahmen eingefangen werden konnte. Die besten Eindrücke bleiben eh im Gehirn haften und sorgen in diesem Areal für unvergessliche Erinnerungen.
Nach der ersten Seillänge folgte ein etwas steilerer Aufschwung, der Hans erneut zu begeisternden Kundgebungen ermunterte. Vom Stand aus sah es wirklich absolut perfekt aus. Ein Eindruck, der vor Ort selber, keineswegs revidiert werden musste. Der Fels war schlicht phänomenal. Stürzen oder abrutschen möchte man auf dieser „Röstiraffel“ allerdings auf keinen Fall.
Hart auf den Fersen folgten uns als letzte Seilschaft Thomas und Eliane, bei denen die Freude ebenfalls deutlich am Gesichtsausdruck erkennbar war. Die Route quert tendenziell immer etwas nach links. In der vierten Seillänge ist sogar ein veritabler Quergang auf einem Band angesagt.
Damit gelangt man wieder unter die Gipfelwand und an den Beginn der nominellen Schlüsselseillänge. Auch diese quert nach einem vertikalen Start links rüber und bietet zauberhafte Ausdauerkletterei an messerscharfen Tropflöchern und Henkeln.
Wir hatten nun schon deutlich Höhe gewonnen, was der Blick hinunter aufs Meer deutlich belegte. So hatte ich mir das vorgestellt: Perfekter Fels, warmer Sonnenschein, das träge glitzernde Meer und ein aufgestelltes Team mit viel guter Laune.
Inzwischen hatten uns Hans und Jacqueline den Vortritt gelassen. So durfte Markus die nächste „Lochparade“ in Angriff nehmen und sich an den scharfen Strukturen hochangeln. Wieder gemeinsam am Stand, liessen wir uns Zeit und fotografierten unsere Teammitglieder bei ihren Verrenkungen.
Leider folgte bereits die letzte Länge und brachte mich kurz unter dem Gipfel in einfaches Gehgelände. Schade, solche Routen dürften zweifelsohne viel länger sein. Ein kurzer Fussmarsch brachte uns zum Gipfel, wo wir eine ausgiebige Rast genossen und auf unsere Teammitglieder warteten.
Abgestiegen wird von der Pedra Longa zu Fuss, was allerdings Kletterei im 2. Schwierigkeitsgrad beinhaltet. Alternativ kann auch zweimal abgeseilt werden, was wir schliesslich auch taten. Schon bald standen wir wieder beim Parkplatz unten, wo uns nur wenige Meter vom wohlverdienten Bier trennten.
Unmittelbar neben der anvisierten Pizzeria war deutlicher Bohrlärm zu hören. Ein Zweierteam war eifrig am Erschliessen von neuen Klettergarten-Routen und legte sich voll ins Zeug. Das Potenzial in Sardinien scheint bei weitem nicht ausgeschöpft: Ständig werden neue Routen und Klettergärten eröffnet und ein Ende ist nicht absehbar…
Die Route "Marinaio di foresta" ist wirklich ein absolut lohnenswertes Ziel. Die Lage direkt am Meer, der scharfe Tropflochfels und die moderaten Schwierigkeiten sorgen für ein wundervolles Erlebnis. Der kurze Zustieg und der relativ einfache Abstieg, wie auch die unmittelbare Nähe zu einer Gaststätte runden das Gesamtbild perfekt ab. Viel Spass am bizarren Felsturm der Pedra Longa!