Sandplatte
Sandplatte
„Chinese Cha Cha Cha“ 6b, 5 SL
Bei meinen häufigen Strahlnertouren ins Voralptal waren mir jedes Mal auf der Hochebene Sand die frisch geputzten Risse auf der gegenüberliegenden Talseite ins Auge gestochen. An diesem steilen Pfeiler zwischen den Sektoren «Sandplatte» und «Yin Yang» hatte ich selber schon mit der Möglichkeit einer Neutour geliebäugelt, aber angesichts der zu erwartenden Putzarbeiten diesen Plan wieder rasch verworfen. Seit gut drei Jahren war nun anhand der weissen Flecken sehr deutlich der Verlauf einer neuen Kletterroute sichtbar. Durch Zufall stiess ich im Internet auf das entsprechende Topo und speicherte es in meinem Projektordner und im Hinterkopf ab.
Der Samstag vor Fronleichnam zeigte sich wettermässig durchzogen und erlaubte keine grossen Sprünge. Für die als «Chinese Cha Cha Cha» benannte 5 SL-Tour im Bereich 6b sollte die kurze, prognostizierte Trockenphase aber wahrscheinlich knapp reichen. Stine, meine stets aufgestellte Kletterkollegin, war sofort mit dem Vorhaben einverstanden und erschien pünktlich um 8 Uhr zu unserem vereinbarten Treffpunkt. Wir düsten ins Göscheneralptal, welches sich nach den schönen Feiertagswochenenden, deutlich ruhiger und angenehmer präsentierte und parkierten auf dem leeren Parkplatz in der Voralpkurve. Zwanzig Minuten später überwanden wir im «Sand» mit ein paar wackligen Sprüngen die quirlige Voralpreuss und stiegen über ein paar Felsblöcke hoch zum Einstieg. Die Einstiegslänge präsentierte sich steiler als erwartet und liess mich an der Bewertung von 6a+ etwas zweifeln. Einmal in der Wand drin, kamen aber unerwartet immer wieder nicht von der Basis erkennbare Leisten und Schlitze zum Vorschein, die ein angenehmes Hochsteigen erlaubten. Ein erster Rechtsquergang, voll obligatorisch und auf Reibung, weckte mich vollends. Mit einem kniffligen Aufsteher an einem kleinen Überhang wurde schliesslich der Weg zum ersten Stand geebnet.
Die Kletterei gefiel mir in diesem Teil schon sehr gut. Sollte es in ähnlichem Stil weitergehen, könnte das noch eine erfreuliche Tour werden. Stine kämpfte mit dem Rechtsquergang, den sie etwas zu hoch ansetzte, überwand aber den Rest in gewohnt souveräner Manier. Die zweite Länge folgt einem geputzten Riss inmitten einer sonst glatten Platte. Mit dem rechten Fuss im Riss und dem linken auf Reibung aufgesetzt, gelang dieser Abschnitt wie gewünscht. Ein paar kleine, abgesägte Baumstrünke boten willkommene Rastpunkte. Gewachsenes Holz in einer Route gilt ja als natürlicher Haltepunkt und somit als «onsight-tauglich». Der Startquergang der dritten Länge verlief ausnahmslos inmitten natürlicher gewachsener Vegetation und führte zu einem markanten Steilaufschwung. Das Klinken des ersten Bohrhakens war für mich nicht direkt vom Boden aus möglich, die guten und nicht sofort erkennbaren Griffe machen diese Passage aber zugänglicher als anfänglich erwartet. Entlang einer gut gestuften Kante und linkerhand begrenzt durch Buschwerk fanden die Erstbegeher einen logischen Durchschlupf zum oberen Wandteil.
In der vierten Sequenz wartete mit einem senkrechten Aufschwung die Schlüsselstelle, die aber üppig gebohrt ist und notfalls auch mit Griff zu Metall gelöst werden kann. Den etwas rechts steckenden ersten Haken im Aufschwung hängte ich nachträglich sofort wieder aus um Seilzug zu vermeiden. Der Aufschwung selber verlangt je nach Vorgehensweise einen direkten Boulderzug an kleinen Leisten oder etwas links davon einen rundlichen Piazzug hoch zum markanten Zapfen an der Abrisskante. Die folgenden Plattenstellen zum Stand sind ebenfalls nicht ohne Anspruch. Man klettert hier entlang einer scharfen Kante und würde im Falle eines Falles vielleicht sogar rechts über diese Kante fallen. Allerdings stecken die Haken hier beruhigend eng und wenn der Sichernde nicht gerade am Stand unten pennt, ist dieses Szenario eher unwahrscheinlich. Als Schlussbouquet darf nochmals ausgiebig der Reibungskoeffizient der Schuhsohlen getestet werden. Der zwar raue, aber doch irgendwie glatt geschliffene Granit ist hier heimtückisch. Mir rutschte kurz und überraschend der rechte Fuss weg. Nur dank einer kleinen Griffleiste resultierte daraus kein Abgang. Die letzten Meter zum Standplatz hoch sind dann wieder etwas griffiger und entspannter zu klettern.
Während der ganzen Tour hatten wir aufmerksam immer wieder das Wettergeschehen beobachtet. Der starke Südwestwind schaufelte stets neue und zunehmend dunklere Wolken über den Mittagsstock. Ein paar Tropfen fanden auch schon den Weg auf unsere Köpfe. Nichts wie runter und bloss keine zeitraubenden Seilverhänger produzieren, war nun die klare Devise! Bei den Längen 4 und 3 scheint es mir sinnvoll, sofort nach den ersten Abseilmetern rechts über die Kante zu gelangen, damit man weiter unten nicht seitlich auf die darunter liegenden Platte knallt. Intuitiv wird man das aber beim Abseilen sofort spüren.
Ohne Zwischenfall erreichten wir wieder den Wandfuss und mussten im aufkommenden Regen die Seile aufschiessen. So rasch als möglich suchten wir Schutz in der unweit gelegenen geschützten Balm und verspeisten «am Schärmä» das wohlverdiente Znüni. Später, als der Regen etwas nachliess, dislozierten wir zu Seraina ins Gasthaus Gwüest und gönnten uns noch ein, zwei Kafi Schnaps. Die Route «Chinese Cha Cha Cha» hat uns sehr gut gefallen. Die Kletterei ist zwar plattenlastig, mit den drei coolen Aufschwüngen in Länge 1, 3 und 4 wird das Ganze aber aufgelockert. Bezüglich Absicherung gibt es absolut nichts zu bemängeln. Die Bohrhaken stecken optimal, wie es bei von unten begangenen Routen vielfach der Fall ist. Besten Dank dem Erstbegeherteam Richard Doppmann und Clint Harris und herzliche Gratulation zu dieser lohnenden Neutour.