Saisonrückblick 2006
Aussergewöhnliche Neufunde
Die Urner Strahlersaison 2006
Das lange Warten auf den Frühling
Ein schneearmer, aber langer und harter Winter stellte die Strahlersippe auf eine zähe Geduldsprobe. Gegen Ende Mai, und damit erstaunlich spät, regierte der Winter noch einmal mit eiserner Hand und segnete den Alpenraum mit ergiebigen Schneefällen. Just in dieser Woche betreute ich auf der Voralphütte ein Schullager und wollte mit den Jugendlichen Wegarbeiten ausführen. Die unglaublichen Schneemassen – täglich vielen bis zu 30 cm Neuschnee - veranlassten uns schliesslich, angesichts der latenten Lawinengefahr, zum Abbruch des Lagers und zur Flucht aus dem Voralptal. Die misslichen Bedingungen in dieser Zeit liessen mich immer wieder zur Kristallvitrine pilgern und mit glänzenden Augen den Erinnerungen nachhängen. Der Winter schien einfach kein Ende zu nehmen. Aber wie sagten schon die alten Strahler: „Nicht der Winter ist entscheidend, der Sommer frisst den Schnee!“
Diese Schlechtwetterphase war aber der Auftakt zu einem Vorsommer, wie ihn so wohl niemand erwartet hatte. Im Juli klagte die halbe Schweiz über die tropischen Temperaturen. Ein schöner Tag folgte dem andern. Noch lag aber Schnee in den Mulden der höheren Lagen und bedeckte die alten Fundorte mit meterhohen Schichten. Südlich exponierte Wandfluchten lockten jedoch bereits mit ihrem warmen Fels. In der Göscheneralp nahm das Duo von Arx/von Känel seine Arbeit an der grossen Planggenstockkluft auf.
Eine bereits im Vorjahr geöffnete neue Kammer sorgte bei den beiden Berufsstrahlern für den nötigen Motivationsschub. Was dann im Verlaufe des Sommers am Planggenstock zu Tage gefördert wurde, sorgte in der Schweizer Medienlandschaft für ordentlichen Rummel. Qualitativ hochstehende, leicht rauchfarbene und völlig transparente, Quarzstufen in Dimensionen, von denen man bloss zu träumen wagte, lieferten genügend Gesprächsstoff. Stolz präsentierten die überglücklichen Strahler ihren wohl einmaligen Fund den interessierten Journalisten. In vielen Zeitungen, Radiostationen und auch im Fernsehen wurde über diese sensationellen Kristalle berichtet. Just als bezüglich der Strahlerei wieder etwas Ruhe einkehrte, kam die Meldung von einem weiteren Grossfund aus der Göscheneralp. Diesmal hiessen die glücklichen Strahler Ruedi Dubacher und Beat Wieprächtiger. Bereits im Herbst 2005 entdeckten die beiden auf einer Höhe von 2800 m.ü.M ein vielversprechendes Quarzband, wagten es aber angesichts eines tonnenschweren Felsblockes, der mit seinem Schwerpunkt genau auf diesem Band lag, vorerst nicht, daran zu arbeiten. Als das Ungetüm endlich ins Tal befördert werden konnte, schlug das Wetter um. Das lange Warten begann..
Ende Juni 2006 starteten Ruedi und Beat topmotiviert mit den Arbeiten an der neuen Stelle und konnten, nach erfolgreichem Auftauen der eisgefüllten Kluft, bis zu 80 cm hohe Stufen bergen. Die bislang grösste Gruppe wiegt über 200 kg, Einzelspitzen erreichen bis zu 70 cm Grösse. Wahrlich ein Prachtfund! Wir werden in einer späteren Ausgabe des Mineralienfreund darüber berichten.
Ein August zum Vergessen
Motiviert von diesen sich in Windeseile verbreitenden Fundmeldungen zog es viele Strahler in die Höhe. Allzu hitzige Erwartungen wurden aber durch das unbeständige Wetter im August abgekühlt. An mehreren Tagen begann es bereits kurz nach Mittag zu regnen - stabile Grosswetterlagen fehlten im Repertoire von Petrus. An drei aufeinander folgenden Wochenenden schneite es sogar bis in tiefere Lagen hinunter. Es war schlichtweg ein August zum Vergessen. Sehr viele Strahler wurden auf dem falschen Fuss erwischt. Im Juli bei der Arbeit schwitzen, und im August während den Strahlerferien frieren, kann wirklich frustrierend sein. Trotzdem konnten in diesem garstigen Monat ein paar schöne Funde getätigt werden. Unser Ehrenmitglied Franz Tresch, sein Sohn Patric und ihr Gefährte Roli Triulzi durften in der Göscheneralp eine herrliche Rauchquarzkluft bearbeiten. In der gleichen Gegend fündig wurde ebenfalls der Silener Bergführer Adi Furrer, dem aber ruchlose Kristallräuber die Freude an den schönen Rauchquarzen zerstörten. Es ist tragisch, dass ich in meinen Rückschauen immer wieder von solchen „Fetzeln“ berichten muss. Was muss das wohl für ein Vergnügen sein, gestohlene Stufen in die Sammlung zu stellen. An dieser Stelle sei wieder einmal an den Ehrenkodex erinnert, der es ausdrücklich verbietet, eine durch einen anderen Strahler belegte Kluft zu bearbeiten.
Im September besserte sich endlich wieder die Wetterlage. Zwei Wochen lang herrschte eine Hochdrucklage mit angenehmen Temperaturen in der Höhe. Nun galt es die Zeit zu nützen. Wie schnell konnte das Wetter wieder kippen. Da die Schneeschmelz dank dem heissen Juli erstaunlich gut fortgeschritten war, bestanden beste Voraussetzungen für einen Neufund am Rande der Gletscher. Diesen Umstand vermochten doch einige Strahler zu nutzen. Im Furkagebiet konnte Martin Russi eine grosse Quarzplatte bergen und diese mit dem Heli ins Tal fliegen. Eine weitere, viel versprechende Kluft beschriftete Josef Jauch mit seinen Initialen. Was diese Kluft hergibt, wird wohl erst der nächste Sommer zeigen, da ein Schlechtwettereinbruch ein Weiterarbeiten daran verhinderte. In den nördlich exponierten, höher gelegenen Wänden war somit die Saison vorbei. Abgesehen von den zwei Grossfunden in der Göscheneralp ist die Bilanz der Strahlersaison 2006 eher durchzogen. Wie schon im Jahr zuvor, war uns Strahlern nur eine sehr kurze Zeit vergönnt. Schade, vielleicht wird’s ja im nächsten Jahr besser.
Eine delikate Aufgabe
Einen Rückblick auf die vergangene Strahlersaison zu schreiben, ist ein delikate Aufgabe. Einerseits sind Informationen nur sehr spärlich zu erhalten, anderseits möchte man keinem Strahler auf die Füsse treten oder in Bearbeitung stehende Fundorte verraten. Zahlreiche schöne Funde werden nur im engsten Freundeskreis herumgereicht. Vielfach möchten die glücklichen Finder auch nicht erwähnt werden. Ein solcher Jahresrückblick kann daher nie abschliessend sein.