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Knecht Klemenz

Erstbegehung
Horefellifluh "Knecht Klemenz", 7a+, 8 SL

Pensionierung: Wohl jede und jeder freut sich darauf und schmiedet Pläne für den Ruhestand! Mein Bruder Kurt hängte am 1. Juni 2023 die Überkleider das letzte Mal in den Garderobenschrank und verabschiedete sich in den neuen Lebensabschnitt. Am nächsten Tag waren wir bereits zusammen unterwegs und absolvierten ein strenges Tageswerk an der Horefellifluh im Voralptal. Im Sommer 2021 hatten wir dort 6 sehr lohnende Seillängen der neue Route "Knecht Klemenz" eingebohrt. Was noch fehlte, war ein Feinschliff (Putzarbeiten) und die freie Begeghung der letzten Seillänge. Das unmittelbare Routenende unter der glatten Headwall konnte uns jedoch nicht so recht befriedigen. Bei der jüngst erfolgten Wiederholung der benachbarten "Mastermind" entdeckten wir eine mögliche Lösung für eine Weiterführung unserer Linie durch diese Schlusswand. Daher waren nun bei unserem nächsten Besuch in der "Knecht Klemenz" neben Drahtbürste und Leichtpickel auch die Bohrmaschine und 15 Bohrhaken mit im Gepäck.

Nicht im Rucksack dabei war aber Kurt's Klettergurt. Dies stellten wir aber erst am Wandfuss fest. Deftige Flüche und verzweifeltes Durchwühlen des ganzen Plunders halfen nicht weiter. Der Klettergurt blieb unauffindbar! Was nun? Glücklicherweise hatte ich zwei Bandschlingen und eine Reepschnur dabei, mit der wir nun ein behelfsmässiges "Gstältli" bastelten. Für den Nachstieg sollte es wohl reichen - wie sich das Ganze beim Abseilen anfühlt, würde Kurt bei gegebener Zeit noch feststellen... Ich schulterte die Bohrmaschine und widmete mich der Einstiegslänge. Mein Bruder folgte mit dem Rucksack und trug darin die Bohrhaken durch die Wand hoch.
Die ersten 45 Meter setzen sich aus einer schwach ausgeprägten Kante, einem griffigen Überhang und genussvoller Schuppenkletterei kurz vor dem Stand zusammen. Gleich beim 2. Bohrhaken wartet eine feine, obligatorisch zu kletternde Plattenstelle.

Der Beginn der 2. Länge ist sehr gemütlich. Gut gestufter Fels führt auf ein Graspodest hoch. Nun wird die Kletterei steiler und damit auch anspruchsvoller. Eine schräge Piazschuppe erlaubt das Höhersteigen, weiter oben helfen feine Strukturen über den kompakten Plattenpanzer. Die dunkle, fast schwarze Färbung der Felsen ist für Granit sehr ungewohnt und wohl Ursache einer geologischen Störzone. Der Stand selber zählt nicht zur bequemsten Sorte, erlaubt aber denoch ein ebenes Hinstellen der Füsse. Im ähnlichen Stil geht's in die dritte Länge. Bald folgt ein unverschämt griffiger Überhang, dessen Überwindung je nach Körpergrösse unterschiedlich bewertet werden muss. Die zweite Hälfte der Länge folgt feinen Schuppen, dank denen glatte Passagen kletterbar sind. Der Stand selber ist bequem auf einem Sims platziert.

Diesem Sims folgt man im vierten Teilabschnitt nach links und gelangt so in eine Piazverschneidung. Zuerst muss aber noch ein heikler Schritt auf glattes Parkett gesetzt werden. Wer hier tief bleibt, wird es wohl einfacher haben. Nach der Verschneidung erlaubt geneigteres Gelände ein Verschnaufen. Bis zum nächsten Stand hoch bleibt es gemütlich. Viele Schuppen charakterisieren die 5. Seillänge. Knifflig wird es im letzten Viertel: Eine Plattenstelle und die folgende Kante sind der Schlüssel zum Erfolg. Eine diagonale Reihe glänzender Bohrhaken zeigt unmissverständlich, wo der Weiterweg der 6. Seillänge durchführt. Diese "Knallerplatte" musste beim Einbohren leider erschummelt werden. Ein Setzen der Sicherungspunkte aus der freien Kletterstellung war angesichts minimster Strukturen nicht möglich. Mit ein paar Expressschlingen am Klettergurt und den fix montierten Laschen am glatten Fels sah die Sache nun zwei Jahre später deutlich komfortabler aus. Ein froher Jauchzer entfuhr meiner Kehle, als ich am Ende des Diagonalquergangs den rettenden Griff packte. Diese Stelle war frei kletterbar! Der Rest ist wieder deutlich gangbarer. Den weiter oben anzutreffenden, eingeklemmten Felsblock sollte man vorsichtshalber nicht belasten. Kurt hat im Nachstieg zwar fest daran gerüttelt und konnte ihn dabei weder bewegen geschweige denn aus der Wand werfen. Ein Meiden dieser Gefahrenquelle beim Vorbeiklettern ist problemlos möglich.

Damit war das vorläufige Ende unserer Route erreicht. Direkt hoch sah es verdammt glatt aus und die Schuppen weiter oben machten eher einen fragilen Eindruck. Diagonal nach rechts hoch schien das Gelände aber kletterbar. Nach kurzer Diskussion hängte ich ein Bündel Bohrhaken an den Klettergurt und machte mich auf den Weg. Kaum erkennbare Strukturen und feinste Seitengriffe bildeten den Schlüssel für das zaghafte Weiterkommen. Nach vier unter wirklich misslichen Bedingungen platzierten Bohrhaken gewährte ein kleines Sims erstmals etwas Entspannung für die malträtierten Füsse. Die Fortsetzung sah aber weiterhin fraglich aus. Ich kämpfte weiter und querte nach rechts hinaus. Ein qualvoll gesetzter Borhaken beruhigte nach dem Klinken schlagartig meine Nerven. Nun erblickte ich das rettende "Thanks God Ledge" zu meiner Rechten. Dazwischen lagen aber immer noch vier unmöglich erscheinende Klettermeter. Da bemerkte ich etwas tiefer eine seichte Mulde, die meinen Finken den nötigen Halt bot. Ich fasste mir ein Herz und zog den Quergang am absoluten persönlichen Limit durch. Das Herz schlug mir am Hals oben, als ich endlich das rettende Band mit der Hand erwischte und mit einem beherzten Aufsteher die Füsse darauf platzieren konnte.

Mit grösster Erleichterung bohrte ich auf dem bequemen Band stehend eine weitere Zwischensicherung. Die restlichen 5 Meter zum Standplatz hoch waren anschliessend eine reine Formsache. Als Kurt im souveränen Nachstieg den Beginn dieser ominösen Rechtsquerung erreichte, warf er mir einen fragenden Blick zu. "Ich glaube, da setzten wir noch einen Bohrhaken hinzu", beruhigte ich ihn. "Es bringt wohl nichts, so eine zwingende Stelle kurz vor Schluss einzubauen", entgegnete er mir. Gesagt - getan! Mit diesem nachträglich gebohrten Fixpunkt kann der Quergang nun bedenkenlos gemeistert werden. Daraus resultiert auch ein obligatorischer Schwierigkeitsgrad von 6b
Auf uns wartete noch die achte und letzte Länge, in der wir nach rund 10 Metern auf die Route "Mastermind" stiessen. Rund 20 weitere, entspannte Klettermetern später, hängte ich mich an den Schlussstand von "Mastermind" und liess Kurt erneut folgen. Der folgende Schnupf war redlich verdient!

Im Abstieg putzten wir die Route an neuralgischen Punkten und reinigten ein paar wenige flechtige Stellen mit der Stahlbürste. Wir seilten aus diesem Grund über "Knecht Klemenz" ab. Bei einer Wiederholung empfehlen wir das Abseilen über "Mastermind", wobei der zweitletzte Stand unserer Route identisch mit dem separaten, routenunabhängigen Abseilstand von "Mastermind ist (2. Abseilmanöver von oben). Am Einstieg unten herrschte "windab" eine drückende Hitze. Wir flohen deshalb rasch runter zur Alp Horefelli, wo wir den malträtierten Zehen eine Kneipp-Kur im kalten Brunnen gönnten. Herzlichen Dank an meinen frisch pensionierten Bruder. Dein erster harter Tag als Rentner wird dir wohl noch lange in Erinnerung bleiben!

Die Route "Knecht Klemenz" ist nun zur Wiederholung freigegeben. Es warten 8 spannende Seillängen (6a+, 6b, 6b, 6a, 6b, 7a, 7a+, 5c), die einen herrlichen Mix aus Rissen, Verschneidungen, Leisten und Schuppen sowie feinster Plattenkletterei in den beiden Schlüsselseillängen bieten. Die neue Linie zählt wohl zu den besten Kreationen unserer langjährigen Erstbegeher-Tätigkeit. Der Fels errinnert streckenweise an die Klettereien in der Südwand vom Salbischijen Westgratturm II. Die Bewertungsvorschläge sind im Topo ersichtlich, welches als pdf-file [9 885 KB] hier geladen werden kann. Viel Spass allen WiederholerInnen!