Frauenkopf Südkante
Frauenkopf Südkante (Schoberkante), 6b, 8 SL
Nach Möglichkeit besuche ich einmal im Jahr meinen lieben Freund Chris, der leider viel zu weit weg mit seiner Familie im Salzkammergut (Oberösterreich) wohnt. Die Tage in Seewalchen am Attersee sind immer sehr erlebnisreich. Mittlerweile kenne ich die Gegend schon sehr gut und freue mich immer wieder auf ein paar nette Klettertouren mit Chris und seinen Söhnen.
Die lange Anreise über München und Salzburg wird durch die zauberhafte Landschaft mit ihren zahlreichen Seen mehr als aufgewogen. Immer wieder entdecken wir neue Winkel der Landschaft und auch das Kulturelle und Kulinarische kommt dabei nicht zu kurz. Das köstliche Zipfer-Bier rundet jeweils diese genussvollen Tage perfekt ab.
An Fronleichnam, nach gut 6 Stunden Fahrt, erreichten Verena und ich das schmucke Seewalchen und wurden wie gewohnt sehr herzlich von Chris und seiner Frau Sonja empfangen. Schon bald schmiedeten wir Pläne, was wir mit dem halben Tag noch anfangen sollen.
Chris schlug uns die Südkante am Frauenkopf vor. Die "Schoberkante" ist eine luftige, westseitig orientierte Gratkletterei mitten in der faszinierenden Seenlandschaft bei Mondsee. Der Zustieg war kurz, aber schweisstreibend und hielt auch eine Überraschung bereit: Mitten im Waldweg verspies eine Ringelnatter ihre noch frische Beute. Nur schon dieses Naturerlebnis war die weite Reise wert.
Die Kletterei ist einfach, verlangt aber wegen der teils speckigen Griffe trotzdem Konzentration. Nach zwei Längen gewinnt man einen Felsturm, der nur durch eine Abseilfahrt in einen engen Schlund hinunter verlassen werden kann. Die Forstsetzung am Grat erlaubt dann immer wieder einen Blick in die Runde, wo Seen und Berge in schönster Harmonie unter dem blauen Himmel und der strahlenden Sonne liegen.
Ein zweiter Turm verlangt wieder eine Abseilfahrt, kann aber auch abkletternd überwunden werden. Verena und ich wählten die zweite Variante und hatte so deutlich weniger Seilgerangel als am ersten Turm. Die folgende Länge bot nun schöne Kletterei, aber auch hier waren die markanten Griff ziemlich poliert.
Im letzten Gratdrittel wartet dann die Schlüsselstelle, gemäss Topo ein 6b-Überhang, in der aber die Haken im Halbmeter-Abstand stecken. Dies macht ein Stück weit auch Sinn, wenn 8 SL im 3. und 4. Grad daherkommen und dieser kurze Aufschwung sonst viele Genusskletterer an einer lohnenden Begehung hindern würde.
Das trotzdem viele Wiederholer die Stelle frei versuchen, erkennt man an der speckschwartenartigen Politur der knapp vorhandenen Griffe. Ich habe noch nie so schmierige Leisten geklammert, wie in dieser Stelle. Daher ist die Bewertung sicher auch mit Vorsicht zu geniessen. Jederzeit erwartete ich ein Abflutschen der Hände, was dann schlussendlich doch nicht eintraf. Ein Sturz an dieser Stelle wäre aber dank der sehr üppigen Absicherung auch völlig harmlos gewesen.
Der Rest war dann wieder wie gewohnt einfach und führte uns kurz unter dem Gipfel in Schrofengelände, über welches schon bald der Frauenkopf erreicht war. Chris und sein Sohn Thomas folgten unmittelbar und schüttelten uns kurze Zeit später die Hände zur Gratulation.
Ein kurzes Wegstück brachte uns dann zum Hauptgipfel (Schober), wo sich der Blick auf zahlreiche weitere Seen öffnete. Die Aussicht ist wirklich fantastisch, dementsprechend waren auch zahlreiche Wanderer unterwegs. Der Abstieg über einen gesicherten Steig war aus diesem Grund ebenfalls wie gebonert und poliert. Deutliche Spuren erkannte man auch bei einer Drahtseilverankerung. Hier hatte sich das Seil durch jahrzentelangen Gebrauch richtig in den Fels eingeschürt. Ein verrücktes Bild!
Obwohl es bereits 19 Uhr war, kamen uns beim Abstieg immer noch Wanderer entgegen. Glücklicherweise waren wir am Grat alleine unterwegs gewesen. Bei Andrang, mit den zwei Abseilstellen und der speckigen Schlusswand, herrscht da sicher des öfteren ganz lustige "Partystimmung".
Just am Ende des Abstiegs ladet ein Biergarten zum Verweilen ein. Wir genossen dort den milden Abend und hatten uns natürlich viel zu erzählen...