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Valaschga

Valaschga Hochwand "Sunset Boulevard", 7a+, 10 SL
An diesem Sonntag Ende Mai hatte Beat wieder einmal Zeit für einen gemeinsamen Klettertag, was immer viel Spanung und hohen Erlebniswert verspricht. Sein Vorschlag, die 10 Seillängen messende "Sunset Boulevard" an der Valaschga Hochwand bei Flums zu versuchen, begeisterte mich sofort. Gemäss Topo handelt es sich dabei um ein lange, abwechslungsreiche und durchwegs bestens abgesicherte Kletterei durch soliden Kalk. Gemütlich fuhren wir um 8 Uhr morgens in Schattdorf los und standen exakt um 10 Uhr am Wandfuss. Die finale Zufahrt erfolgt ab der Autobahn-Ausfahrt Walenstadt zum Dörfchen Berschis, weiter die Sennisstrasse hoch bis zur Kurve P. 896, wo ein breiter Waldweg abzweigt. Fünfzig Meter vorher kann man bei einem Ticketautomaten das Permit für den Parkplatz lösen (Fr. 5.- für den ganzen Tag). Nun zu Fuss dem leicht abfallenden Waldweg entlang über ein erstes, trockenes Bachbett, später über ein solches inklusive Wasser und weiter zum dritten, wieder trockenen Bachbett, das in einem grossen Blechrohr unter der Waldstrasse geführt ist. Hier durch den Wald weglos hoch, zu Beginn hart links vom Bachbett, später dann rechts davon in wenigen Minuten zum Wandfuss hoch. Rechts der Bachrinne ist die Route "Leistenbruch" angeschrieben, links der Rinne entdeckt man problemlos die ersten Bohrhaken der "Sunset Boulevard.

Der erste Eindruck ist nicht gerade berauschend: Der Fels ist schmutzig und das Gras spriesst munter aus dem breiten Riss hart rechts von den rostigen Bohrhaken. Darauf haben wir uns aber eingestellt und erwarten weiter oben deutlich bessere Konditionen. Nach einer kleinen Stärkung und dem obligaten Handschlag starte ich und muss bereits auf den ersten Metern konzentriert ans Werk gehen. Ab und zu lässt sich ein Tritt ins Gras nicht vermeiden - immer noch besser als ein Biss in dasselbe! Die Absicherung auf den ersten Metern ist vernünftig platziert, weiter oben sind dann im leichteren Gelände weitere Abstände anzutreffen. Die Fixpunkte sind aber gut zu finden und leiten mich zum ersten Stand auf einem bequemen Band (50m, 8 BH, 5c+).

Beat folgt rasch nach und übernimmt den Lead in der zweiten Länge. Obwohl auch hier Grasbüschel den Weg säumen, ist der Fels eher besser und präsentiert sich weniger abgewaschen als in der Startsequenz. Sieben Bohrhaken und ein Schlaghaken sichern diese erneut 50 Meter lange Route im Grad 5b. Am Beginn dieser Seillänge ist eine Metalltafel montiert, auf der Hans Frommenwiler und Seth Abderhalden verewigt sind. Die beiden gehörten in der Mitte des letzten Jahrhunderts zur Kletterelite und eröffneten zahlreiche schwere Neutouren im Alpstein und an den Churfirsten. Es ist immer wieder interessant, an die verwegenen Geschichten der damaligen Zeit erinnert zu werden.

Etwas verwegen sollte es nun auch in der dritten Seillänge unserer Route werden: Eine ziemlich glatt erscheinende Platte versperrt uns den Weiterweg. Bereits beim ersten Haken drückt aus einem Riss etwas Feuchtigkeit, was den kniffligen Zug an die entscheidende Leiste nicht unbedingt erleichtert. Beim dritten Bohrhaken wird es dann so richtig glatt und schwer. Ein paar seitwärts geschichtete Strukturen helfen etwas, schlussendlich muss man aber konsequent den Schuhsohlen vertrauen und durchstarten. Im Mittelteil, der sich etwas milder zeigt, muss man rechts ausholen und anschliessend direkt unter den etwas schmutzigen Wulst hochklettern. Dank den guten Henkeln ist der Wulst aber gut überwindbar und entlässt mich in schönen Fels, der bis zum nächsten Stand so bleibt. In diesem Teil führt gleich rechts vom Wulst die Route Leistenbruch durch eine grosse Verschneidung hoch auf das breite Schuttbad. Unser Stand befindet sich auf einem bequemen Podest und erlaubt einen guten Blick in die folgenden Seillängen (50m, 10 BH, 7a).

Wir befinden uns nun am Beginn der geologischen Störzone, die auf dem Wandbild perfekt erkennbar ist. Hier dominieren quergeschichtete Kalkstrukturen, die aber nicht immer zuverlässig festen Halt bieten. Der erste Bohrhaken steckt weit oben, kann aber von Beat in relativ einfachem Gelände gut angeklettert werden. Nun wird die Wandstufe aber deutlich steiler. Die vielen Querleisten bieten zwar eine Hülle an Griffmöglichkeiten, der splitterige Fels und die doch eher weiten Hakenabstände verlangen von Beat aber entsprechende Vorsicht und eine gesunde Vorstiegsmoral. Im Nachstieg kann ich das bedeutend frivoler angehen, werde aber um ein Haar durch einen ausbrechenden Griff abgeworfen. Im zweiten Teil dieser Länge kann noch ein Camalot in einem schönen Querschlitz versenkt werden und damit etwas Sicherheitsmarge ins muntere Spiel gebracht werden (50m, 7 BH, 6a).

Im gleichen Stil geht's in der fünften Seillänge an diesen Querschlitzen weiter. Dann flacht die Wand für ca. 15 weitere Meter etwas ab. Ein mögliches Camalot 1-Placement entschärft den weiten Weg zum nächsten Rostling. Ein noch älterer Bohrhaken und ein antiker Schlaghaken gleich daneben markieren den alten Stand, wo die Erstbegeher bei ihrem ersten Versuch Mitte der Achtzigerjahre umdrehten Diesen alten Stand kann man aber getrost ignorieren und rechtshaltend weiterklettern. Nun trifft hier ein, was wir insgeheim schon befürchtet haben: Der folgende, schmutzige Überhang und die anschliessende Rinne sind triefend nass. Munter plätschert das Wasser über diese wohl auch bei trockenen Verhältnisse unangenehme Wandstelle, mit ihrem seifigen Belag. Was nun?

Den Überhang kann ich dank zweier Bohrhaken noch technisch überwinden (an diesen nassen und extrem schmierigen Griffen habe ich in freier Kletterei absolut keine Chance). Der Weiterweg über eine Reibungsplatte, die ebenfalls voll durchnässt ist, bietet mit meinen nassen und verschmutzten Kletterfinken leider keine Option. Ich denke schon ans Aufgeben, als ich ein kleines Loch erspähe, in welchem unser kleinster Cam mit zwei Segmentbacken so knapp noch klemmt. Vorsichtig belaste ich meine Installation, gewinne einen weiteren Meter und kann einen etwas vertrauenswürdigeren Cam setzen. In diesen hänge ich eine Schlinge, steige unter wilden Verrenkungen rein und erreiche so den nächsten Bohrhaken.

Nun fehlen noch fünf Meter bis zum Stand. Die nun etwas abflachende Rinne, durch welche das Wasser läuft, ist grasdurchsetzt und bestimmt auch ordentlich schmierig. Beherzt wage ich den Vorstoss und versuche mit Spreizen höher zu kommen, während mir von oben andauernd das Wasser auf den Helm tropft. Endlich ist der rettende Griff kurz vor dem Stand gepackt und laut ausatmend klinke ich voller Erleichterung meine Selbsticherung in die Kette. Beat bezwingt die unangenehme Stelle mit ein paar kräftigen Zügen am Seil und steht bald etwas durchnässt neben mir auf dem schmalen Sims (45m, 9 BH, 6c).

Unsere Blicke gehen zweifelnd in die Höhe. Auch mir ist der tropfende Wasserfall über unseren Köpfen schon unangenehm aufgefallen. Umdrehen? Angesichts der eng steckenden Haken wollen wir trotzdem einen Versuch wagen. Beat kämpft sich verwegen bis zur Mündung des Wasserfalls hoch, wo er seine Schuhe aber nicht richtig trocknen und säubern kann, was angesichts der folgenden, obligatorisch zu kletternden Steilplatte wohl eine wichtige Grundvoraussetzung ist. Als frisch brevetierter "Felsrinnen-Taucher" wage auch ich einen Versuch, ziehe mich bis zum Umkehrpunkt von Beat am Seil hoch und kann mit dieser Taktik meine Finken einigermassen sauber und trocken halten. Mit den Händen in der wasserdurchströmten, schmierigen Rinne, setzte ich meinen rechte Fuss frech auf die Platte, kann mit dem linken Fuss noch etwas frecher an eine Kante "nachtapsen"... und bin endlich durch! Die folgenden, furztrockenen Klettermeter entlang einer Kante empfinde ich als wahren Hochgenuss (45m, 10 BH, 6c).

Beat darf nun die folgende, schön trockene Seillänge Nr. 7 in Angriff nehmen. Zu Beginn noch relativ einfach, folgt bald ein erster Steilaufschwung, der Athletik verlangt. Der Fels sieht sehr gut aus, entpuppt sich aber als heimtückisch splitterig So bricht mir im Nachstieg erneut ein Griff aus, und wieder kann ich mich dank guter Gewichtsverteilung elegant aus der Affäre ziehen. Weiter oben folgen noch ein paar knifflige Stellen, an denen man durchaus etwas vorsichtig agieren sollte. Die gebohrten Haken stecken hier wieder weiter auseinander und summieren sich auf insgesamt 6 Stück für 45 Meter im Grad 6b.

In der achten Länge folgt man dem breiten Band nach links, quert eine Bachrinne und steigt dann durch schrofenartigen Fels direkt hoch. Kurz vor dem Stand wird der Fels wieder kompakter, weist aber einen leicht schmierigen Schimmelbelag auf. Dafür stecken hier die Haken beruhigend eng. In dieser Seillänge muss man sicher auch darauf achten, dass man durch den etwas ungewöhnlichen Seilverlauf keine Steine in den Abgrund befördert (50m, 6 BH, 5a).

Der Start in die 9. Seillänge beginnt mit ein paar heiklen Kletterzügen auf leicht schmutziger Unterlage. Dann darf man am kleinen Dachüberhang kurz seine Piazkünste zeigen, bevor dann für die restlichen 35 Meter gute Steherqualitäten gefragt sind. Dank kleinen Leisten und winzigen Unebenheiten gelingt dieser difficile Plattentanz überraschend gut. Welch ein Unterschied zu der wasserdurchtränkten Rinnen-Schrubberei eine gute Stunde zuvor. Die slalomartige Linienführung verlangt eine geschickte Seilführung, eventeull sollte man hier sogar in Halbseiltechnik die Exen einhängen. Gemäss unserem Topo wird diese Länge mit 7a+ bewertet, was meiner Meinung nach etwas zu hoch gegriffen ist. Die Bohrhaken stecken relativ eng und ermöglichen auch einen Schummel-Durchstieg mit 6b, A0. Kurz vor Schluss muss man doch noch etwas vom Haken nach links wegqueren, was bei tief gewählter Linie gut machbar ist (50m, 13 BH, 7a+).

Zum Schluss, als krönender Abschluss, folgt ein steiles, leicht drückendes Wandstück in durchwegs schönem Fels. Die ersten Meter entlang einer Piazschuppe sind noch eher milde gestimmt. Dann hilft ein kräftiger Dynamo über eine glatte Wandpartie. Knifflig darf nun nach links gequert werden, wo bald wieder bessere Henkel zum Stand hart unter der Abrisskante führen. Da ich am Baum hinter der Kante eine Schlinge entdecke, steige ich über die Kante hinweg und sichere in angenehmer Sitzposition meinen Kletterpartner nach. Rasch erreicht auch Beat den "Gipfel" und geniesst nach fast fünfstündiger Kletterei die Befreiung aus den Kletterfinken (25m, 11 BH, 7a+).

Ein verdienter Schnupftabak ersetzt den Händedruck als Gratulation. Nach kurzer Pause machen wir uns auf die Abseilfahrt, die problemlos verläuft, aber besonders in der 8. Seillänge etwas mühsames Seilauswerfen bedingt. Eine gute Stunde später geniessen wir am Wandfuss ein verdientes Zabig und machen uns schon bald auf den Abstieg und die Heimfahrt.
Die "Sunset Boulevard" ist eine durchaus interessante, einsame Route mit einem hohen Erlebniswert. Der Fels ist nicht überall perfekt und weist da und dort eine Schmutzschicht auf. Insgesamt überwiegen aber die schönen Kletterstellen, besonders die zwei letzten Längen sind wirklich sehr lohnend, ebenso der Bereich in der geologischen Störzone mit seiner horizontalen Schichtung. Die Absicherung ist an den schweren Stellen sehr gut, im Bereich 6a/b muss man aber ordentlich über die Haken steigen. Die Bewertung von 6a+ obl. ist sicher zu tief gegriffen. Ein solides 6b oder sogar 6c schont in dieser Route sicher Seil und Nerven, besonders wenn gewisse Partien noch grossflächig nass sind. Ob es diesbezüglich im Herbst besser ist und der Fels trockener erscheint, kann ich nicht beurteilen...

Besten Dank an Beat für den erlebnisreichen Klettertag und die gute Stimmung "an Bord". Mit deinen Ideen sorgst du immer wieder für persönliche Kletter-Highlights. Gerne wieder auf ein nächstes Mal...