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Gelmerfluh

Gelmerfluh
«Sagitarius» 6b, 13 SL
«Guacamole» 6c+, 6 SL
Als wir vor zwei Jahren letztmals die Gelmerfluh besuchten und dabei die sehr lohnende «Savoir Vivre» klettern durften, entdeckten wir links davon den an die Felsen gepinselten Routennamen «Guacamole». Trotz intensiver Recherchen fand ich im Netz keine Informationen zu dieser scheinbar neuen Route. Fixe Haken entdeckten wir keine, aber der ungefähre Routenverlauf im unteren Wandbereich war anhand der geputzten Risse und Verschneidungen deutlich erkennbar. Ich speicherte diese Linie im Hinterkopf und wollte bei Zeit und Gelegenheit dieses Projekt in Angriff nehmen.

Als Stines Anfrage für einen gemeinsamen Klettertag auf meinem Handy eintrudelte, schlug ich ihr spontan diese Route vor. Wenige Minuten später schickte sie mir einen Link zu einem Begehungsbericht auf mountainprojekt.com, der die Route «Guacamole» etwas näher beschreibt. Kurz darauf ploppte noch die Frage auf, ob ich genügend grosse Camalots im Arsenal habe. Tatsächlich wird in dem Bericht von einem doppelten CamC4-Rack im Bereich 0.4 bis 4 geschrieben, zusätzlich wird noch die Grösse 5 als nützlich erwähnt. Bezüglich Seile war die Rede von 60m-Doppelseil!

Ich stöberte im Keller, sortierte meine Friends- und Camalots-Sammlung, konnte aber nur einen 4-er Cam im Rucksack verstauen. Die kleineren Dimensionen brachte ich locker zu einem Doppelset zusammen. «Das geht schon irgendwie» machte ich mir Mut. Natürlich war auch die Seilfrage ein Thema. Vor Jahren benutzte ich noch 60 Meter lange Zwillingsseile, nervte mich aber ständig beim Seileinziehen über die vielen, überflüssigen Seilmeter. Seither bin ich nur noch mit 50 m langen Stricken unterwegs.

Auf der Anfahrt via Brünig herrschte gute Laune, die aber beim Parkplatz Chüenzentennlen etwas gedämpft wurde: Die ganze Gelmerfluh war ziemlich durchnässt. Scheinbar musste es am Vorabend in der Grimselregion viel intensiver geregnet haben, als im heimischen Urnerland. Was nun? Zumindest an den Einstieg hochlaufen wollten wir. Vielleicht war «Sagitarius» machbar, die eher den vielen Wasserstreifen ausweicht und im oberen Teil rasch abtrocknet. Nach der Querung über das Zustiegsband mussten wir «Guacamole» vorerst von der Wunschliste streichen. Im oberen Teil zierte ein fetter Wasserstreifen die Schlüssellänge. Unten sah es nicht wesentlich besser aus. So stiegen wir in Sagitarius ein und mussten in den ersten Längen bei jedem Schritt verdammt aufpassen. Die trocken scheinenden Platten waren leicht angefeuchtet und entsprechend unberechenbar zu beklettern. In der fünften Seillänge blinzelte endlich die Sonne ums Eck und eliminierte sehr rasch diese Restfeuchtigkeit. Von nun an herrschten perfekte Bedingungen und der aufkommende Talwind sorgte für eine angenehme Brise. Nach etwas mehr als vier Stunden waren wir nach erfolgreichem Durchstieg und ereignisloser Abseilerei wieder unten bei den Rucksäcken.

Die Sonne und der Talwind hatten auch in «Guacamole» Wirkung gezeigt. Ein paar dunkle Schlieren verzierten noch die Wand, mehrheitlich aber schien die Linie trocken. Ich hängte mein mobiles Arsenal an den Klettergurt und startete ins Ungewisse. Stine seilte sich ebenfalls an und war bereit, mir nachzusteigen, misst doch die erste Länge etwas mehr als 60 Meter. (Kursiv der Beschrieb aus dem Internet unter mountainproject.com)
P1 5b: 60 m rope-stretcher, pretty easy even for the grade. Follow the obvious seam with a bit of vegetation in it.
Tatsächlich stieg Stine etliche Meter am laufenden Seil nach und erreichte einen grossen Absatz in dem Moment als ich oben den gebohrten Stand erreichte. Im Abstieg sicherte ich Stine über die Schultern und kletterte die einfachen Meter zurück zum Einstiegsband. Legen kann man sehr gut und mehr als ein 4c ist diese Länge nicht.

P2 6a+: 50 m up a nice left-facing dihedral. Cross a bright green smear of lichen that gives the route the name (probably), with great opportunities for protection. 1 bolt.
Sehr schön zu kletternde Verschneidung, die viele Placements offeriert. Eine stumpfe Sektion ist mit einem Bolt gesichert. Leider drückte an vielen Orten das Wasser aus dem Verschneidungsgrund und machte die Sache doch noch delikat. Bei trockenen Bedingungen eher 5c+/6a. Mit dem letzten Rest Seil erreichte ich den Stand auf einem bequemen Band.

P3 5c+: A bit of a wandering pitch, tending left at the start, cross a short slab section, clip a bolt and move right around a corner. Cool finishing moves traversing right and up.
Der einzige Bohrhaken steckt genau am richtigen Ort, da wo die grosse Schuppe nicht absicherbar ist. Die Querung nach rechts war wieder feucht und leicht schmutzig. Das Grünzeug zu Beginn der Länge störte nicht wirklich. Der angegeben Grad passt.

P4 6c+: Business time. Scramble left, clip a bolt, and pull hard. Then up through a wide left-leaning flake. 2 #4’s recommended to make it safe, and a #5 would have made it comfy. Clip a bolt at the end an pull hard again. The rock becomes superb from this pitch on.
Der harte Zug beim Bohrhaken ist je nach Grösse eher harmlos. Bis dieser Bolt aber geclippt war, brauchte es ein wenig Fantasie. Der Mittelteil bis zum 2. Bohrhaken erschien mir relativ einfach. Dann stand ich unter dieser 20-Meter-Monsterschuppe und fragte mich ernsthaft, wie das bloss gehen soll. Meinen Joker – der einzige Cam Nr. 4 – musste ich irgendwann und leider viel zu früh opfern, da ich schon weit über der letzten Sicherung war. Hier zieht die scharfkantige Schuppe ein paar Meter schräg nach links oben. Ich wollte mindestens bis zu dieser Ecke klettern und die verdeckte Fortsetzung der Schuppe begutachten. Falls sich diese unsichtbare Kante als rundes Übel outen sollte, konnte ich notfalls zurückklettern und mir weitere Optionen ausdenken.

Noch einmal atmete ich tief durch und packte resolut die scharfe Kante an. Meter für Meter stieg ich höher und konnte immer wieder auf Unebenheiten etwas Gewicht entlasten. An der «Ecke der Entscheidung» freute ich mich über den Anblick der weiterhin scharf geschnittenen Kante und zog das Ganze spontan durch. Gut fünfzehn Meter über meiner letzten Sicherung verengte sich der Riss und bot endlich ein Zuhause für meinen 3-er Cam. Kurz danach war auch der Bohrhaken geclippt und sicherte mich beim heiklen Quergang über die Platte zum rettenden Stand. Die Kletterei an der 20-Meter-Monsterschuppe ist relativ gutmütig, lässt sich aber nur mit 4-er oder 5-er Cam’s absichern. Die Schlüsselstelle ist eindeutig der letzte Quergang zum Stand, der durch den hier steckenden Bolt aber perfekt gesichert ist.

P5 6b: Clip a bolt off the belay, then pull a nice face climbing move to the flake. Romp up the flake with excellent gear, then finish on a bolt-protected slab.
Der Aufsteher beim Bohrhaken und der Weiterweg bis zur Schuppe waren beileibe nicht ohne Anspruch. Endlich an der Schuppe musste ich den 4-er Cam wieder früh platzieren, da er weiter oben durchflutschte. Und wieder fasste ich mir ein Herz und zog die Sache durch bis zum kleinen Dach. Hier konnte ich wieder etwas kleinere Dimensionen legen. Alternativ wäre auch eine Zackenschlinge durchaus nützlich. Die mit zwei Bohrhaken gesicherte Plattenkletterei war abschliessend reinster Genuss und wohliger Balsam für die Nerven. Gesamthaft ist die Bewertung dieser Länge ok.

P6 5c: Cruise up a the long, easy finger crack, with some low-angle slab at the top.
Der Fingerriss war komplett nass, frass aber die Klemmgeräte am Laufmeter. Die Bewertung passt. Auf der abschliessenden Platte musste ich gut 20 Meter ohne Sicherungsmöglichkeit zum Routenende klettern. Dies ist aber durch die geringe Neigung und dank vieler Strukturen eher ein Spaziergang. Es war geschafft! Herzlich gratulierten wir uns zum erfolgreichen Durchstieg und machten uns an den Abstieg. Bis auf die Einstiegslänge kann mit 50 Metern problemlos abgeseilt werden. Die fehlenden Meter bis zum Einstiegsband kann man mit genügender Vorsicht auch abklettern. Müde, aber zufrieden machten wir uns auf die Heimreise und legten am Brünig den obligaten Zwischenstopp ein. Vielen Dank an Stine für diesen tollen und eindrücklichen Klettertag.