Mettener Butzli
Mettener Butzli «Zigermanndli», 6c, 4 SL
Als ich in Göschenen – nach einem länger als erwarteten Arbeitseinsatz – verspätet losfuhr, um mich in Schattdorf mit Beat zu treffen, regnete es in Strömen: Wieder einmal sollten die sommerlichen Gewitter einen Kletterabend vermiesen. Als ich Beat in seinem Werkstatt-Büro besuchte, machte er ebenfalls ein betrübtes Gesicht. Bei einem Kaffee konsultierten wir den Wetterradar und bliesen die ganze Aktion etwas missmutig ab.
Da wir aber beide Dickschädel sind, fuhren wir eine Viertelstunde später trotzdem los in Richtung Schächental. Wer weiss, vielleicht hatte der Wettergott doch noch Erbarmen mit uns? In Unterschächen war die Strasse noch regennass, aber der Himmel hatte seine Schleusen (vorübergehend?) geschlossen. Kurz vor dem obligaten Parkplatz im Mettener Butzli stoppte uns ein alter Lawinenkegel. Wir packten rasch unsere Rucksäcke und sprinteten zum Einstieg hoch. Es war bereits halb sieben am Abend – für eine Route sollte dies eigentlich reichen.
Allerdings fielen bereits wieder vereinzelt Tropfen! Nach einer Schnupfpause beruhigte sich das Wetter und ich konnte endlich, endlich loslegen. Die Route «Zigermanndli» startet bei einem ebenen Platz, der wohl früher als Unterstand für die Geissen diente. Die Kletterei ist ordentlich steil und fordert bereits beim ersten Überhang vollen Einsatz. Mit drei gebohrten Sanduhrschlingen als Zwischensicherung kommt auch ein klein wenig Wendenfeeling auf.
Der Sinn dieser gebohrten Schlingen erschliesst sich mir bis heute nicht. Natürlich gegebene Sanduhrschlingen, wie in Korsika weit verbreitet, finde ich toll. Wenn man aber schon die Bohrmaschine zückt, dabei ein oft viel längeres Loch als für einen Schlaganker bohrt, könnte man ja genau so gut einen Bohrhaken setzen. Diese Schlingen verlieren durch die permanente UV-Bestrahlung rasch an Festigkeit und gammeln Jahre vor sich hin. Diese zur Zeit der Wenden-Erschliessung oft gesehene Sicherungstechnik ist mittlerweile wieder fast gänzlich verschwunden. Gut so!
In der zweiten Länge quert man rechtshaltend unter ein Dach, welches Beat elegant mit einem gekonnten Hüftschwung überwinden konnte. Als dritte Länge bekam ich wieder eine knifflige Stelle gleich zu Beginn serviert. Die Querung in die seichte Verschneidung ist aber gut abgesichert, weiter ober sorgt eine – diesmal durch die Natur ermöglichte – Sanduhrschlinge hinter einer sehr fragilen Schuppe für etwas Herzklopfen. Der nächste solide Bohrhaken folgt aber rasch darauf. So liess ich diese fragwürdige Sanduhr gleich aus und verhinderte damit auch erhöhten Seilzug.
Im letzten Abschnitt turnte Beat an wild aussehenden Henkeln hoch. Von unten sieht das alles sehr lose aus, aber das ganze hält wirklich bombenfest – eine geniale Seillänge! Mit zwei gestreckten Abseilmanövern standen wir rasch wieder in den Brennnesseln am Wandfuss. Was wir beide gehofft hatten, war Tatsache geworden. Das Wetter hielt und es blieb noch etwas Zeit für ein paar weitere Klettermeter…
Mettener Butzli «Butzliläll», 6b, 4 SL
Bald lagen die Seile wieder bereit und es ging los in die Route «Butzliläll». Auch hier beginnt es ordentlich steil, aber der raue, wasserzerfressene Kalk bietet ein grosszügiges Griffrepertoire. Ich genoss wie im Rausch diese wundervollen Klettermeter und der perfekt eingerichtete Stand kam viel zu schnell ins Blickfeld. Rasch war auch Beat bei mir und stieg sofort die zweite, gutgriffige Länge vor, die permanent gegen rechts quert.
Wie bereits im «Zigermanndli» besteht die dritte Seillänge von «Butzliläll» aus einer seichten Verschneidung, die zuerst knifflig angeklettert werden muss. Weiter oben wartet wieder eine Henkelparade und berauscht die Sinne. Noch immer genossen wir genügend Tageslicht. So startete Beat in die letzte Seillänge und verschwand dabei – nach einer stotzigen Startsequenz – um die Kante.
Im Nachstieg, kurz unter dem Stand, musste ich mich ins Seil setzten. Nicht etwa wegen fehlender Kraftausdauer. Im rechten Augenwinkel hatte ich etwas flammend Rotes wahrgenommen. Die steilen Wände der Schächentaler Windgälle «brannten» wie Feuer im letzten Sonnenlicht. Diese Szenerie musste ich einfach fotografisch festhalten – Rotpunktbegehung hin oder her! Mit diesen einmaligen Bildern im Hinterkopf machten wir uns wieder auf die Abseilfahrt und gönnten uns schon rasch eine verdiente Schnupfpause.
Die Dämmerung wich langsam der Dunkelheit, als wir wieder beim Auto unsere Rucksäcke verstauten. Was für eine verrückter Abend: Der anfänglichen Betrübnis wegen dem schlechten Wetter folgten zwei herrliche und genussvolle MSL-Routen. Die unvergesslichen Bilder der «brennenden Wände» bildeten dabei als einmaliges Schlussbouquet das Sahnehäubchen dieser gelungenen Blitzaktion. Vielen Dank, Beat für diese tollen Erlebnisse!