Half Dome
Half Dome
"Snake Dike", 5.7, 8 SL
"Eye in the Sky" 5.8 4 SL
Von der Durchsteigung der "Snake Dike" träumte ich mehr als 30 Jahre lang! In Reinhard Karls Buch "Yosemite - Im senkrechten Paradies" betrachtete ich immer wieder ein doppelseitiges Farbbild, welches einen Kletterer an dieser unglaublichen Quarzader zeigt.
Der Half Dome an und für sich ist ja schon ein Traumberg, aber diese Linie über den Westrücken ist wirklich ein absolutes Highlight. Bevor man aber Hand an dieses schöne Stück Fels legen darf, ist ein gut dreistündiger Aufstieg zu absolvieren. Dabei durchwandert man eine märchenhafte Landschaft mit zahlreichen Wasserfällen, versteckten Seen und zauberhaften Wäldern.
Dieser Wegabschnitt, der sogenannte "Mist-Trail", ist ein wichtiger Teil des bekannten "John-Muir-Trail". Dementsprechend waren auch zahlreiche Wanderer unterwegs, die wir aber schon bald aus den Augen verloren, als wir nach zwei Stunden den Weg verliessen und gegen die sonnendurchflutete Südwand des Half Dome steuerten.
Wie flüssiges Gold bestrich die Sonne die mehr als zwei Kilometer breite und knapp fünfhundert Meter hohe Fluh, an deren Fuss der mystische "Lost Lake" liegt. Eindrücke, die ich nie mehr vergessen werde!
Der Einstieg zur "Snake Dike" war einfach zu finden, allerdings erwischen wir weiter oben eine falsche Quarzader und kletterten versehentlich vier Seillängen der "Eye in the Sky". Als ich vom Stand weitere dreissig Meter weg kletterte und weit und breit keinen Haken mehr fand, kamen wir zur Erkenntnis, dass dies das Ende von "Eye in the Sky" sein musste.
Ich kletterte zum Stand zurück, was nicht wirklich Spass machte, und beriet mich mit meinen zwei Freunden. Wir seilten dann 60 Meter ab und fanden schliesslich wieder die richtige Ader der "Snake Dike", der wir nun zügig folgten.
Nach acht Seillängen wird das Gelände flacher und erlaubt ein gemeinsames Hochsteigen zum Gipfel. Die Ader selbst ist sehr spartanisch eingerichtet. Ein bis zwei Bohrhaken pro Seillänge müssen genügen. Allerdings ist das Terrain eher geneigt und die Griffe und Tritte auf der Ader verdienen das Prädikat: phänomenal!
Mit dem Abstieg, der weitere drei Stunden beansprucht, hatten wir schliesslich ein nettes Tagwerk zusammen und durften ohne schlechtes Gewissen im Tal unten ein oder zwei Bierchen geniessen. Zuerst mussten wir uns aber im unteren Bereich des "Mist-Trail" durch Horden von Wanderern kämpfen. Unglaublich, wie viele Leute im Yosemite unterwegs sind!
Wie man allerdings eine Half Dome NW-Wand und die Nose am El Cap in einem Tag (inkl. Abstieg vom Half Dome) verlinken kann, bleibt mir persönlich ein Rätsel. Geschweige denn die "Tripple Crown" mit Half Dome, Mt. Watkinson und El Cap: Alex Honold und Tommy Caldwell haben da etwas absolut Verrücktes vollbracht. Hut ab vor diesen Jungs!!