Impressum Sitemap

Graslaui

Graslaui ob Gersau, Klettergarten, 5c – 6c
In den Buchen- und Föhrenwäldern ob Gersau liegen diverse Klettergärten verstreut. Das «Sunnäplättli» ist wohl der bekannteste Sektor und dementsprechend auch meistens sehr gut besucht. Wer lieber etwas Ruhe hat, aber trotzdem die prächtige Aussicht auf den glitzernden Vierwaldstättersee geniessen möchte, ist mit dem Sektor «Graslaui» gut bedient. Der Zustieg erfolgt im ersten Abschnitt genau gleich wie zum «Sunnäplättli» oder zur «Laurinwand», d.h. man parkiert vor dem Cholerboden auf den wenigen Plätzen entlang der Strasse und wandert dann der Naturstrasse entlang bis kurz vor den Totenlauizug.

Bei der markanten Kurve mit dem grossen Felsklotz steigt man dank einem Fixseil über die hangseitige Strassenböschung hoch und folgt den undeutlichen Wegspuren in fünf Minuten bis zum Wandfuss hoch. Bei Nässe ist dieser Zustieg etwas heikel, besonders in umgekehrter Richtung. Der Einstieg selber ist ebenfalls ein wenig abschüssig, man kann aber relativ bequem stehen und bei jedem Routenstart stecken solide Bohrhaken für die Selbstsicherung. Dass mich diese Selbstsicherung im Tagesverlauf vor einem schweren Unfall bewahren würde, hätte ich bei der Ankunft im Klettergarten nie und nimmer gedacht. Mehr dazu später…

Mein Bruder Kurt und ich setzten uns erst einmal gemütlich auf unsere Rucksäcke und genossen die traumhafte Aussicht. Der Fels war nach den nächtlichen, intensiven Niederschlägen noch verbreitet nass, aber die Sonne zeigte bereits Wirkung und trocknete die Felsen rasch ab. Mehr Sorgen bereitete uns die Felspartie unter dem grossen Dachüberhang, wo das Wasser aus dem Berginnern heraus saftete und die darunter liegende Platte grossflächig benetzte. Wir starteten im rechten Wandteil und gönnten uns zum Aufwärmen die 5a der «Linder & Läuchli». Mit «Halli Galli» (6a+) gleich rechts davon, klettert man nur wenige Meter auf frischem Terrain, da es sich einfach um eine etwas schwerere Einstiegsvariante handelt.

Völlig eigenständig verläuft dagegen «Pilastro» (6a), die im unteren Teil leicht brüchig startet, weiter oben aber festen Fels aufweist und schöne Kletterzüge bietet. Fast durchwegs lohnend entpuppte sich «Plattentanz» (6a+), welche dem grossen Dachüberhang rechts ausweicht und daher auch trocken war. Mein Bruder steckte sich sein Pfadfinder-Messer in die Tasche und sägte während dem Ablassen die bereits wieder spriessenden Bäumchen und Stauden aus der Wand. Nun standen zwei Routen auf der Liste, die direkt über das Dach führen. Glücklicherweise hatte die Sonne ein paar Quadratmeter Fels unter dem Dach abgetrocknet, die Untergriffe im Dach selber waren aber noch triefend nass. Die «Dachroute» (6a+) gelang trotz der Nässe mit Hilfe der grossen Henkel aber problemlos, verlangt aber für den finalen Zug über das Dach etwas Athletik.

Gleich links davon war mit Gehirnmuskel (NR) eine Route im Topo gelistet, die scheinbar noch nicht frei geklettert wurde. Das war durchaus reizvoll, entpuppte sich aber in der Folge wohl als Fehler im Topo. Die ominöse Stelle am Dach war mit einem beherzten, dynamischen Boulderzug rasch gelöst und wurde von uns als milde 6c beurteilt. Das unser Verdacht wohl richtig ist, zeigte sich in der Route «Rampensau», die ebenfalls nicht bewertet und mit NR aufgeführt ist. Sie entpuppte sich als gut lösbare 6a mit einem etwas kräftigen Einstieg.

Dazwischen liegt «Aniki» (6b), wo der erwähnte, blöde Zwischenfall passierte. Mein Vorstieg in dieser kurzen Route war erfolgreich verlaufen. Nun kletterte Kurt problemlos über die feingriffige Wandstelle und befand sich über dem dritten Bohrhaken. Dort riss er einen deutlich mehr als kopfgrossen Stein aus seinem Fundament, der in direkter Linie auf meine Beine zusteuerte. Kurt konnte einen Sturz verhindern und sich am Fels halten; ich selber sprang wie von der Tarantel gestochen aus dem Stand hoch, warf meine Beine wild in die Luft und entging so um Haaresbreite dem scharfkantigen Kalkbrocken. Dank der eingehängten Selbstsicherungsschlinge, in die ich mich gemütlich gelehnt hatte, war dieses akrobatische Ausweichmanöver erst möglich geworden. Da hatte wir wieder mal echtes Glück beansprucht.

Der Adrenalinspiegel sank rasch wieder auf ein normales Niveau, was uns erlaubte, auch die restlichen zwei Routen zu klettern. Damit hatten wir das ganze Potential des Klettergartens ausgeschöpft und genossen den verdienten Feierabend. Der Klettergarten Graslaui bietet nette Klettereien im Bereich 6a/b, wobei die teils vorhandene Botanik nicht arg stört. Die Absicherung ist perfekt und genau richtig platziert; ab und zu steckt noch ein solider Normalhaken. Die uneingeschränkte Aussicht und der relativ kurze Zustieg sind weitere Pluspunkte für einen Besuch. Besten Dank dem Erschliesser Markus Camenzind für Material und Arbeit. Ein herzliches Chapeau für meinen Bruder, der sich trotz Griffausbruch mirakulös in der Wand hielt und mir so meinen verzweifelten Rettungssprung erlaubte. Auf ein nächstes Mal, Bruderherz, aber dann bitte ohne Beschuss von oben!