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Ganderfluh

Ganderfluh
«Fulista» 6b, 4 SL
«Gandertanz» 6b, 4 SL
«Chryz Wäg» 6b+(?), 4 SL
«Via 68» 6a+, 4 SL
Ein langer und intensiver Klettertag an der Ganderfluh! Erneut ist Tagesgangwetter angesagt. Deshalb hole ich bereits schon um 7:00 Uhr meine Kletterkollegin Stine an ihrem Wohnort ab. Dank einem E-Bike-Fahrer, der als zusätzliche Aufstiegshilfe das Ruogig-Bähnli benutzt, fährt die Vierer-Gondel ausser Fahrplan los und bugsiert uns in wenigen Minuten in die liebliche Landschaft der Alp Gand hinauf.

Der Zustieg im Schatten ist sehr angenehm, einzig die steilen Meter hinauf zum Wandfuss entpuppen sich als etwas mühsam. Das durchnässte Gras steht für Mitte Juni schon erstaunlich hoch und verdeckt die spärlichen Wegspuren. Wir warten nicht auf die Sonne und starten voller Elan in «Fulista», die zu Beginn mit ein paar Querungen den Kletterfluss hindert. Üppig spriesst auch hier das Grün aus den Spalten, ein Kontakt lässt sich aber meist vermeiden. In der dritten Länge bessert sich die Felsqualität und spätestens beim weiten Spreizschritt um eine Felskante ist der Bewegungsapparat auf Betriebstemperatur. Stine erhascht auf den letzten Metern der Schlusslänge erstmals wieder Sonnenstrahlen und äussert ihre Freude mit einem Jauchzer. Mit zweimal Einfädeln stehen wir schon bald wieder im nassen Gras am Wandfuss.

Der Start von «Gandertanz» ist ebenfalls noch etwas feucht und grasdurchsetzt. Ab der zweiten Länge bewegen wir uns aber in bester Felsqualität und freuen uns an den herrlichen Felsstrukturen. Die folgende, fein ziselierte Platte glänzt bereits schon in der Morgensonne und beschert und puren Genuss! Die Bewertung mit 6b ist im alten Schächentaler-Stil verfasst. Mit gefühlvollem Hinstehen und etwas Augenmass lösen sich die feinen Griffabfolgen aber gut auf. Ein Rechtsquergang mit anschliessendem Untergriff-Boulderzug an eine seichte Mulde hoch markiert den ersten Teil der Schlusslänge. Eine runde Rissverschneidung beendet sie und spuckt uns am «Gipfelgrat» aus. Auch hier stehen wir nach zweimaligem Abseilen bereits wieder beim Rucksackdepot.

Beim kurzen Imbiss schmieden wir Pläne für die Fortsetzung unserer Kletteraktivitäten. Die Wahl fällt schliesslich auf den «Chryz Wäg», der mit 6b+ nur marginal härter bewertet ist als die zwei ersten Routen. In der ersten Seillänge merke ich aber rasch, dass hier ein ganz anderes Kaliber ansteht. Kniffligste Züge an eher runden Strukturen und fast inexistente Trittmöglichkeit bringen mich ans Limit meiner Klettermöglichkeiten. Dank ein paar zusätzlichen Bohrhaken muss man zum Glück nicht auch noch mit harten, psychischen Anforderungen zurechtkommen. Teils sind die fixen, neu gesetzten Sicherungspunkte etwas kurios platziert. Am ersten Stand erwartet mich dann nur ein alter, rostiger Ringbohrhaken und ein von schräg unten getriebener Schlaghaken. Mit einem 0.75-Camalot lässt sich das ganze aber zuverlässig ergänzen.

In der folgenden Länge, die «nur» mit 6b taxiert ist, kämpfe ich weiter mit vollem Einsatz. Nach gut 10 Metern stehe ich auf einem kleinen Absatz und kann die neue Bohrhakenlasche über meinem Kopf unmöglich klinken. Es fehlen sicher 15 cm Reichweite! Die alte, abgeschlagene Bohrkrone auf Augenhöhe verhöhnt mich bei meinem sehr wackligen, obligaten Aufsteher. Danach folgen drei Bohrhaken im Meter-Abstand über einen abdrängenden Wulst, bevor zwei magere, mit einer Schraube fixierte, Kettenglieder die folgende Piazkletterei absichern. Endlich erreiche ich den Stand und kann wieder etwas regenerieren. Mit grösstem Einsatz erreicht auch Stine unsere Oase und blickt ehrfürchtig zum Überhang über unseren Köpfen hoch. Ab hier stecken durchgehend neue Bohrhaken, da die Route begradigt und damit die Kreuzung mit «Fulista» aufgehoben wurde.

Die glatte Wandstelle unter dem Überhang und der zähe Piaz-Zug an demselben fordern nochmals unsere Reserven, dann aber wird das Gelände etwas kletterfreundlicher. Schlicht genial präsentiert sich schliesslich das Finale entlang filigraner Schuppen und mit Löchern gespickter Platten. Abgekämpft, aber sehr zufrieden sitzen wir am «Gipfel» und gratulieren uns zu dieser Willensleistung. Im Vergleich mit «Gandertanz» und «Fulista» ist der «Chryz Wäg» markant schwerer. Sämtliche 6c- und auch alle 7a-Routen, die ich in diesem ersten Halbjahr klettern durfte, empfand ich als deutlich gangbarer als die erste und dritte Seillänge von «Chryz Wäg». Die Route ist von der Kletterei her sehr schön, besonders die zweite, begradigte Hälfte bietet fantastische Klettermeter. Mit wenigen Korrekturen an der Absicherung (Eliminierungen von ein paar Seilzug-Ecken, des zu hoch gebohrten Hakens und des erwähnten Kettenglieds) würde die Route massiv hinzugewinnen. Mit einer zeitgemässen, im Verhältnis zu den Nachbarrouten stehenden, Bewertung könnte sich «Chryz Wäg» zu einem Klassiker mausern.

Als «Absacker» gönnen wir uns nach kurzer Trinkpause noch die «Via 68», die durch den eindrucksvollen Riss rechts von «Chryz Wäg» hochführt. Mit bereits etwas erlahmten Schulterblättern stemme, spreize und piaze ich durch diesen Monsterriss hoch. Die ausgegebene 6a+ passt hier wieder besser. Stine zapft letzte Kapazitäten an und führt in einem Zug durch die spannenden Längen 2 und 3 bis zur markanten Nische mit Wandbuch. Mir bleibt das Schlussbouquet über den folgenden, teuflisch griffigen Überhang und die gemütliche Auskletterei bis zum Routenende. Die «Via 68» ist eine eher klassisch gehaltene Kletterei mit guter Absicherung. Ein paar Relikte aus der Zeit der Erstbegehung zollen Respekt für die damalige Leistung. Wir seilen ein letztes Mal an diesem Tag über die steile Wand ab, packen rasch unser Bündel zusammen und erreichen mit den ersten Regentropfen die Bergstation der Ruogig-Seilbahn. Nun lassen wir uns zurückgelehnt und mit müden Gliedern fremdbestimmt abseilen und erreichen wohlbehalten den Biergarten im Gasthaus Brügg. Ein grosses Dankeschön an Stine für deinen zähen Kampf und die Ausdauer. Morgen ist wetterbedingt ein Ruhetag angesagt – Gott sei Dank!