Schöllenen
Schöllenen
"Cyclope" 7a, A0 (7b/c); 8 SL
"Fire" 6c, 7 SL
Was für eine Irrfahrt an diesem Tag! Gestartet waren wir um 6:30 Uhr in Schattdorf mit dem Ziel Teufelstalwand in der Schöllenen. Um die "Wilde 13" (7b) bei angenehmen Konditionen zu klettern, wollten wir noch im Schatten durch den unteren Teil der Wand klettern und gegen Mittag wieder zu Hause sein. Bereits auf der Anfahrt durchs Urner Oberland verwarfen wir diesen Plan angesichts der nassen Strassen und der dunklen Wolken im Göscheneralptal.
Die Teufelstalwand eignet sich nicht für zweifelhaftes Wetter. Nach dem dreimaligen Abseilen in die Schlucht sitzt man bei Regen ziemlich in der Falle und müsste im Notfall durch übles Gestrüpp und über steile Grasflanken durch das Tobel aufsteigen.
So fuhren wir hoch zum Gotthardpass und visierten den Pizzo Valletta als neues Ziel an. Am Gotthard oben schlich um das Hospiz aber zäher Nebel, aus dem feiner Nieselregen tröpfelte. Zurück im Urserntal zeigte sich zwar endlich die Sonne, aber von Westen wurden weitere Wolken rasch herangeführt. Nach intensiven Beratungen und unzähligen Aufrufen der Wetter-App parkierten wir schliesslich in der "Inoxkurve" der Schöllenen. Die Wände schienen trocken. Sollte es erneut regnen, wären wir hier wenigstens schnell aus der Wand raus. Wenig später standen wir unter dem markanten Felsbuckel des Sektors "Inox" und inspizierten die verschiedenen Einstiege.
Da ich den "Suworovpfeiler" bestens kannte und die "Inox" sogar schon im Winter (1987) durchstiegen hatte, bot sich nun die frisch sanierte "Cyclope" an. Ruedi Bunschi und Hans Gisler setzten letztes Jahr neue Bohrhaken in dieser Remy-Linie, beliessen aber den sportlichen Charakter der Route. Bereits auf dem doch eher weiten Weg zum 2. Bolt merkte ich, dass die Platte noch nicht hunderprozentig trocken ist. Das feine Knirschen der Granitkörner unter den Sohlen verstärkte das ungute Gefühl. Aufgeben wollte ich aber nicht so schnell und schlich weiter über den Plattenpanzer. Ein paar feine Leisten und mickrige Noppen halfen mir über die nun plötzlich eng steckenden zwei Haken. Es folgte ein weiterer Runout, bis zu einem kleinen Dächlein, wo die nächste Lasche im Granit fixiert war. Die Sohlen der Kletterfinken wollte einfach nicht wie gewohnt haften, was aber sicher der Restfeuchte geschuldet war. Mit ein paar beherzten Zügen an einer vertikalen, schwach ausgeprägten Leiste gewann ich trotzdem weiteres Land. Kurz vor dem rettenden Stand blickte ich zum Himmel hoch und spürte fast gleichzeitig Regentropfen im Gesicht. Petrus öffnete kurz die Schleusen und im Nu war alles pflotschnass. "Das war's wohl für heute" dachte ich zu mir und seilte schweren Herzens ab. Unter einer grossen Tanne am Einstieg fanden Stine und ich etwas Schutz vor den Wassertropfen. Wir packten das Material zusammen und stiegen nordwärts haltend ab.
Als wir am Einstieg der "Fire" vorbeikamen, blinzelte die Sonne bereits wieder durch die Wolken am Himmel. "Was meinst du, Stine? Wollen wir noch einen Versuch wagen?" Ich erklärte ihr kurz, dass ich diese Route zusammen mit meinem Bruder Kurt 1985 erstmals begangen und sie um die Jahrtausendwende saniert hatte. Stine war sofort überzeugt und freute sich auf die ihr unbekannte Linie. Meinerseits war ich gespannt, wie sich das Material wohl über all die Jahre gehalten hatte. Leider waren schon in der ersten Länge ein paar der rostfreien Laschen durch Stein- und Eisschlag deftig malträtiert worden, liessen sich aber noch einhängen. Der erste Stand war ebenfalls beschädigt: Die Standplatte hing nur noch an einem Segmentanker, der zweite war bündig abgeschert. Unglaublich, was für Kräfte da gewirkt hatten. Die nächste Länge sah wieder besser aus. So stiegen wir weiter, wurden aber immer wieder von ein paar Regentropfen auf das turbulente Wetter aufmerksam gemacht.
In der 4. Seillänge fehlte der zweite Zwischenhaken. Er war einfach bündig abgeschert. Mit etwas Herzklopfen schaffte ich es zum nächsten Silberling, der ziemlich zerzaust am Anker hing. Beim vermeintlichen Stand steckte dann nur noch ein Bohrhaken - also weiter! Kurz vor dem 5. Stand war schliesslich das ganze Seil ausgeklettert. Ich band mich an den Zwischenhaken und liess Stine nachsteigen. Ein Bolt unter mir bezog sie wieder Stand und sicherte mich über die fehlenden Meter bis zum Stand Nummer 5. Auch hier hing die Standplatte nur noch an einem Anker. Zum Glück steckten noch die alten Ringbohrhaken daneben. Just als Stine sich wieder bei mir am Stand fixieren konnte, ergoss sich der nächste Regenschauer über uns und die Wand. Wir gaben auf und fädelten die Seile in das Maillot-Rapid. Schluss für heute und ab zum Biertrinken in Andermatt. Besten Dank an Stine für den lustigen Tag und deine fröhlichen Jodeleinlagen. Ob es für das bald stattfindende Jodlerfest in Andermatt reicht, kann ich nicht beurteilen...
Auf alle Fälle werde ich die Route "Fire" kein zweites Mal sanieren. Obwohl die Kletterei sehr schön ist und ein kurzer Zustieg lockt. Die Bohrhaken werden vom Wintereis und den Lawinen laufend wieder beschädigt und ich bin schlicht nicht mehr gewillt, jedes Jahr defektes Material zu ersetzen.