Horefellifluh "Mastermind"
Horefellifluh "Mastermind", 6b, 7 SL
Bei einer Erkundungstour ins Voralptal, bei der ich die aktuelle Schneesituation prüfen wollte, setzte ich mich bei der Alp Horefelli gemütlich auf einen flachen Stein. Logischerweise schwenkte ich meinen Feldstecher nicht nur in die noch schneebedeckten Kristallzonen am Sustenhorn, sondern beäugte auch die steilen Granitwände direkt über der Alphütte. Ein glänzender Punkt in Wandmitte erregte schon bald meine ungeteilte Aufmerksamkeit. Tatsächlich steckten da neue Bohrhaken und Standplatz-Ketten.
Ich hatte genügend Zeit und stieg daher die 10 Minuten bis zum Wandfuss hoch. Die dort oben vergnügt spielenden, jungen Steinböcke beobachteten höchst interessiert, was da für ein komischer Geselle daherkommt. Mit ein paar eleganten Schritten entschwanden sie in die steilen Felsen und widmeten sich wieder ihren imponierenden Spielen. Am Einstieg erkannte ich, dass die aus dem Jahr 1986 stammende Route "Mastermind" scheinbar ein neues Lifting erhalten hat. Sehr gut! Eine Sanierung dieser lohnenden Linie hatte ich selber mal angedacht. Wenn nun andere diese Fleissarbeit auf sich genommen haben, ist das umso besser. Ich speicherte diese neue Erkenntnis in meiner virtuellen Ideenliste und machte mich gemächlich auf den Heimweg.
Gut zwei Wochen später - die erste Hitzewelle dieses Sommers überrollte das Land - war ein Klettertag mit Stine eingeplant. Ich schlug ihr einen Ausflug zur Horefellifluh vor und erzählte ihr von der sanierten "Mastermind". Wie nicht anders erwartet, war Stine sofort begeistert von dieser Idee. Wir trafen uns um 6 Uhr in Schattdorf und wollten die kühlen Morgenstunden für den gut einstündigen Aufstieg nutzen. Bewacht von den imposanten Türmen des Salbitschijens setzten wir unsere Schritte in den sanft ansteigenden Weg und genossen die Ruhe, welche nur durch das Bachrauschen "gestört" wurde.
Bei der Alphütte angekommen, zeigte ich Stine den geplanten Aufstieg, was ihr ein erwartungsfrohes Lächeln ins Gesicht zauberte. Wenige Minuten später platzierten wir unsere Rucksäcke am Einstieg und gewahrten eine Fixseilstrecke entlang der Route. Ich war total verwirrt. Vor zwei Wochen hatte ich nur die neuen Bohrhaken gesehen, die weit in die Wand hoch erkennbar waren. Nun hingen da fast zweihundert Meter fixierte Statikseile. War da eventuell sogar ein Erstbegehungsprojekt angelaufen? Durften wir in diesem Fall überhaupt einsteigen?
Im Laufe unser Diskussion über diese Ethikfragen einigten wir uns auf einen Kompromiss. Solange die neuen Bohrhaken wirklich der alten Linie von "Mastermind" folgten, würden wir mit gutem Gewissen weiterklettern. Sollten die Bolts aber in offensichtliches Neuland weisen, würden wir abbrechen und zum Wandfuss abseilen. Mit diesem salomonischen Entscheid konnten wir beide gut leben und querten über das kleine Schneefeld zum Einstieg. Auf den ersten Metern lag noch etwas Schmutz von der Schneeschmelze, dann aber war der Fels perfekt sauber und flechtenlos.
Der Überhang beim ersten Bohrhaken zeigte sich kniffliger als erwartet. Hier war auch noch die alte, im Fels steckende Bohrkrone des Vorgängermodells zu erkennen. Also war dies einwandfrei saniertes Terrain. Die folgenden Meter bis zum Kettenstand verlangten immer wieder ein feines Hinstehen und gutes Gespür für den einfachsten Weg. Die neuen Haken steckten optimal und erlaubten ein stressfreies Durchklettern. In der zweiten Länge ging es im gleichen Stil weiter, allerdings war der obere Teil dann doch deutlich einfacher zu meistern. Beim Standplatz waren wieder alte Bohrkronen und sogar ein rostiger Schlaghaken zu erkennen. Somit hatten wir immer noch grünes Licht! Eine grosse Verschneidung wies uns den Weg in die dritte Etappe. Plötzlich steckten aber die neuen Bohrlaschen links aussen in der Plattenwand. Da auch hier rostige Bohrkronen wenige Zentimeter daneben zu finden waren, musste dies immer noch die Originallinie sein. Diese plattige Stelle war genial zu klettern und just in diesem Moment erreichten uns auch die ersten Sonnenstrahlen. In der vierten Länge, die einer liegenden Verschneidung folgt, steckten vereinzelt noch alte Schlaghaken. Die Kletterei war in diesem Abschnitt sehr abwechslungsreich und ich hoffte, dass es möglichst in dieser Art weiterging.
Am perfekt eingerichteten Standplatz waren wieder alte Relikte erkennbar und die Fixseilstrecke endete hier. Über unseren Köpfen steckten aber weitere neue Silberlinge. So startete ich frohen Mutes in die fünfte Länge, wo ich beim sechsten Bolt plötzlich neuen Bohrstaub bemerkte. Nach drei weiteren Laschen, unter denen das weisse Mehl erkennbar war, hing da plötzlich eine Expressschlinge. Weiter oben steckte ein alter Schlaghaken in einem Riss. Weit und breit war aber kein Bohrstaub mehr erkennbar. Ich überlegte kurz, ob ich weiterklettern soll, entschied mich dann aber für eine Umkehr. Gerne würden wir wiederkommen, wenn die Sanierung abgeschlossen ist. Wir seilten über die Wand ab und rätselten, warum die Sanierer beim jüngsten Vorstoss nur gerade vier neue Bolts setzten konnten. Akkudefekt? Aufkommendes Gewitter? Bohrerschmelze? Gerne würde ich auch erfahren, wer diese wirklich gelungenen und optimal ausgeführten Sanierungsarbeiten durchgeführt hat. Herzlichen Dank jetzt schon für die ausgezeichnete Arbeit! Unter rauchquarz.mueller(at)bluewin.ch nehme ich gerne diesbezügliche Hinweise entgegen und freue mich auf die Fertigstellung. Vielen Dank auch an Stine für die frohen Stunden am Fels!
Nachtrag:
Bereits haben sich die fleissigen Routensanierer der "Mastermind" bei mir gemeldet: Silvia Kempf und André Arnold haben inzwischen die Route fertig saniert! Gratulation und besten Dank! Das Topo kann hier herunter geladen werden: Topo Mastermind [513 KB]