Meiringen
Meiringen, Klettergarten, 6a – 7a
Dass die wunderschöne Gegend ennet dem Brünig nebst feinen Meringues und phasenweise höllischem FA-18-Fluglärm auch noch viel Kletterspass bietet, ist wohl hinlänglich in der Kletterszene bekannt. Die vielbesuchten Klettergärten rund um Meiringen sind besonders im Frühling und Spätherbst eine ideale Alternative, wenn der Schnee Besuche in höheren Gefilden erschwert.
Die einheimischen Cracks sind noch immer mit viel Elan und unermüdlichem Fleiss am Erschliessen neuer Felsen. Einige solcher Spots fanden Aufnahme in der Führerliteratur, andere werden eher diskret behandelt und geniessen den Status «Geheimtipp». An diesem Freitagnachmittag besuchten Beat und ich wieder einmal einen dieser wunderschön gelegenen Felsen, wo die Griffe noch rau sind und am Wandfuss relative Ruhe herrscht. Nach den doch eher kalten Tagen in der ersten Aprilwoche sorgte die intensive Frühlingssonne an diesem Tag bereits schon wieder für grenzwertige Temperaturen am Einstieg.
In der Wand selber waren die Konditionen perfekt, dank dem lauen Lüftchen und einer tief angesetzten Luftfeuchtigkeit. Sehr wahrscheinlich sind wir nach dem langen Winter auch gar nicht richtig angewöhnt an etwas wärmere Bedingungen. Beat, der diesen Sektor schon an Ostern - zusammen mit Stine - besucht hatte, übernahm den Lead und turnte locker die ersten vierzig Meter durch die steile, aber extrem griffige Wand hoch. Gleich danach genoss ich den Luxus vorgehängter Expressschlingen und erfreute mich an dem bombenfesten Kalk. In der zweiten Route wartete bereits ein fieses Grössenproblem auf uns.
An einem leicht schmierigen Zwei-Finger-Seitengriff, den man mit der linken Hand gegen aussen belasten muss, kämpft man sich auf ein kleines Bändchen hoch und sollte nun mit den Fingern der rechten Hand eine schmale Leiste krallen. Völlig überstreckt erreichte Beat diesen rettenden Griff, mir selber fehlten aber ein paar Zentimeter, was nach einer anderen Lösung für den zweiten Versuch verlangte. Weiter oben waren die perfekten Henkel wieder in optimaler Griffweite zu packen und liessen das kleine Malheur rasch in Vergessenheit geraten.
Berauschend waren die weiteren zwei Routen, die einen gemeinsamen Start aufweisen, sich nach dem ersten Dachaufschwung entfädeln und beide – einmal links weg, einmal rechts hoch – durch leicht überhängenden "Fetzenkalk" zum Umlenker führen. Hier wird alles geboten, was ein Kletterherz begehrt. In der Zwischenzeit war eine zweite Seilschaft eingetroffen, deren aufgeweckter Hund jedem Steinchen und Wurfhölzchen mit wilden Sprüngen nachjagte – für das Unterhaltungsprogramm am Wandfuss war somit ausgiebig gesorgt.
Wir stärkten uns kurz mit Speis und Trank und widmeten uns weiteren steilen Linien, die nun bereits schon im Schatten lagen. Die Begeisterung hielt angesichts der athletischen und vielseitigen Kletterzüge unvermindert an. Dank den vielen Querschlitzen konnte man hier fast mühelos steilste Überhänge problemlos überwinden- es kam fast so etwas wie Kletterhallen-Feeling auf. Irgendwann gegen Abend machte sich dann aber eine gewisse Müdigkeit bemerkbar.
Und nur so am Rande erwähnt: Die Restaurant-Terrassen hatten seit ein paar Tagen nach dem zweiten Lockdown endlich wieder geöffnet! So siegte die Lust auf ein Weizenbier schlussendlich klar und kompromisslos gegen die noch ungezähmte Kletterleidenschaft. Wir verabschiedeten uns von den freundlichen zwei Einheimischen und ihrem lustigen Hund und legten kurz vor dem Brünigpass den wohlverdienten Boxenstopp ein. Besten Dank an Beat für den lässigen Kletternachmittag im steilen Fels von Meiringen.