Schmalstöckli
Schmalstöckli
"Lange Kombination" 5c,
"Bird on a wire", 6b
"Zurück zur Zukunft", 7b
"Via Tanja", 6b
Geplant war eigentlich ein Ausflug zum Gotthardpass gewesen. Wegen einer dicken Föhnwalze, die den Alpenhauptkamm in Wolken hüllte, änderten wir in Göschenen spontan unser Ziel, wendeten und fuhren ins Riemenstaldertal. In den Voralpen - und damit auch im Lidernengebiet - putzte der Föhn alle Wolken weg. Der zügige Wind sorgte zudem für angenehme Temperaturen. So stand einem erfüllten Klettertag nichts mehr im Weg.
Als Aufwärmrunde wählten wir die «Lange Kombination», die gleich zu Beginn noch ein paar nasse Passagen präsentierte, die aber problemlos umgangen werden konnten. Wir folgten in vier Längen der griffigen Linie, bis wir auf ein Filmteam des Schweizer Fernsehen SRF stiessen. Um die zu drehenden Filmszenen einer Frauenseilschaft nicht zu crashen, zogen wir über die «Bird on a wire» gerade hoch und erreichten in drei weiteren Längen bereits den Ausstieg. Mit einer Abseilfahrt über «Papillion», die sich im starken Föhn als mühsam entpuppte, gelangten wir wieder zu unseren deponierten Rucksäcken.
Hier schlug ich als nächstes Ziel die fantastische «Zurück zur Zukunft» vor. Ein Vorschlag, der bei meinem Bruder Kurt auf offene Ohren stiess. Ich kannte diese Tour bereits von einer Begehung aus dem Jahr 2011. Die Schlüssellänge gelang mir damals im Nachstieg auf Anhieb in freier Kletterei. Die ersten Meter über die nasse Zustiegs-Passage der «Langen Kombination» waren vertrautes Terrain. Die nun folgende Länge (6a+) über einen pfeilerartigen Bauch sorgte bereits für gute Stimmung. Die Haken stecken hier eng und das Griffangebot ist sehr üppig. Die folgende, leider etwas kurze Länge (6b+) an scharfen Tropflöchern brachte mich zum Hängestand unter der Schlüssellänge. Kurt genoss die vorzügliche Kletterei und stieg locker nach. Voller Optimismus packte ich nun die leicht überhängende Wand (7b) über unseren Köpfen an – gespannt wie es wohl mit 12 Jahren mehr auf dem Buckel so laufen würden. Beim 6. Bohrhaken wurde ich aber jäh gestoppt. Mit allen Tricks versuchte ich die fehlenden drei Meter zum nächsten Fixpunkt zu erschummeln. Keine Chance! Ich verstand die Welt nicht mehr.
War meine Formkurve so tief gesunken, dass ich nicht einmal den obligatorischen Grad 6a+ mehr schaffte? Stammte der helle Fleck vor meinen Augen vielleicht von einem kürzlich erfolgten Griffausbruch? Ich wusste es nicht und meine Erinnerungen aus dem Jahr 2011 waren leider zu stark verblasst. Nach ein paar weiteren, erfolglosen Anläufen musste ich zähneknirschend die Segel streichen und glitt an einem geopferten Karabiner zurück zum Stand. Kurt zeigte Verständnis für diesen Rückzug und schlug zur Kompensation eine Wiederholung der «Via Tanja» vor. Die Schmach der Niederlage war angesichts der folgenden, herrlichen Kletterei rasch vergessen. Wir genossen vier Seillängen in bestem Fels und stiessen am 3. Standplatz auf die Protagonistinnen der Filmproduktion, die während ihrer Abseilfahrt von einer Drohne begleitet wurden. Beim abschliessenden Besuch auf der Lidernenhütte lernten wir auch das restliche Filmteam kennen. Als Dank für die Rücksichtnahme am Morgen genossen wir ein spendiertes Bier, das trotz dem ärgerlichen Rückzug hervorragend mundete.