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Parete d'Osogna "Apriti Cielo" Part 2

Parete d'Osogna "Apriti Cielo", 7b+, 36 SL (Part 2)
Nach der ersten Kontaktaufnahme mit der gewaltigen Wand hoch über Osogna wollte uns die Fortsetzung der Tour und damit der erfolgreiche Abschluss nicht mehr aus dem Kopf gehen. Part 1 war zwar ein ordentlicher Krampf gewesen, hatte uns aber auch vor Augen geführt, welch hohen Erlebniswert eine solche Route haben kann.

Am Wochenende nach Auffahrt stimmten alle Parameter für eine Fortsetzung der Route. Gewitterfreies und temperaturmässig optimales Wetter war für den Süden prognostiziert. Zudem konnte sich Dani zwei volle Tage von seinem arbeitsintensiven Landwirtschaftsbetrieb lösen.

Unsere Taktik für den Part 2 stand schon lange fest: Wir wollten am ersten Tag mit Sack und Pack auf das grosse Band in Wandmitte steigen, dort gemütlich biwakieren und dann am nächsten Tag die obere Wand mit den fehlenden 15 Seillängen klettern.

Aus diesem Grund, und weil Dani am Vorabend noch bis nach Mitternacht arbeiten musste, fuhren wir erst um 8.30 Uhr im Urnerland los. Schon auf den ersten Reisekilometern drehte sich unser Gespräch um die faszinierende Kletterei an der Parete d'Osogna.

Dani hatte am Morgen noch den aktuellsten Wetterbericht konsultiert, der bereits von Nachmittagsgewittern für den Folgetag faselte. Nicht unbedingt das Wünschenswerteste für einen Bigwall! Kurzentschlossen änderten wir unseren Plan und fassten den Durchstieg bereits für den ersten Tag ins Auge, was angesichts unserer späten Anreise sehr ambitiös war.

Nach einem schweisstreibenden Aufstieg auf das Mittelband, das wir dank einer detailierten Skizze von Marcel Dettling auf Anhieb fanden, starteten wir um 12.45 Uhr in die "Antro Rosso", die erste Seillänge der oberen Wandhälfte. Mit 6b+ bewertet, sollte dies eigentlich eine gute Aufwärmlänge sein.

Lag es wohl am schweisstreibenden und endlosen Aufstieg oder waren wir beide total ausser Form? Auf jeden Fall pumpte uns diese Länge brutal auf und sorgte für eine gewaltigen Dämpfer. Oben warteten schliesslich noch schwerere Längen und wir waren bereits hier - auf Feld 1 - schon beinahe schachmatt....

Nach einem 60m-Quergang über eine Grasband, standen wir schliesslich unter der eigentliche "Headwall", wo uns der Kiefer ein zweites Mal runterklappte. Weit, weit oben blinkte ein einsamer Bohrhaken und die Wand erdrückte uns fast. Bewaffnet mit einem Rack Friends fasste ich mir ein Herz und stieg in dieses Gemäuer hoch.

Nach gut 10 Metern konnte ich endlich einen zuverlässigen Friend setzen und etwas entspannter den Weiterweg in Angriff nehmen. Nach dem "Debakel" in der Startlänge "Antro Rosso", flösste mir diese Länge, die mit 6b+ gleich schwer bewertet war, schon etwas Respekt ein. Der Name "Cerca la tua via" oder "Finde deinen Weg" hatte irgendwie auch nichts Beruhigendes an sich...

Ein letzter Boulderzug, gesichert von einem Microfriend unter einer lausigen Schuppe, und ich stand erleichtert vor zwei soliden Bohrhaken. Stand! Dani stieg ruhig und überlegt nach und tankte ebenfalls wieder etwas Selbstvertrauen. Anders kann es gar nicht sein, stieg er doch sofort weiter und zog die Folgelänge sauber durch.Nach einer weiteren Länge legte sich die Wand etwas zurück.

Weit oben erspähten wir einen überhängenden Riegel, der wohl die Schlüssellänge "Se lo tiro non vale" beheimatete. Ob sich "der Schuss wert war" oder nicht, sollte in der Folge rasch geklärt werden. Zuerst war aber noch die genial zu kletternde Seillänge "Duro apparente" an der Reihe. Gleich bewertet wie der Einstieg, war diese Sequenz aber wirklich um einiges gemütlicher zu bewältigen.

Um unnötigen Seilzug zu vermeiden, hängte ich den Bohrhaken vor dem Hangelquergang nach Erreichen des nächsten Bolt gleich wieder aus. Mit 50 Metern generierte diese Länge schon genügend Reibung für unsere neuen Seile.
Ebenfalls mit Seilzug zu kämpfen hatte schliesslich Dani in den überhängenden Zonen der Schlüsselseillänge.

Hier wunderten wir uns wieder einmal über die komisch gewählten Hakenabstände. Aber lassen wir das Thema...
Erstaunlicherweise gelang diese Länge nicht gerade mühelos, aber im Vergleich zum Start war das nur ein "Nasenwasser". Sollte diese Länge wirklich 6c sein, müsste "Antro Rosso" bei 7a/7a+ eingestuft werden. Aber lassen wir auch dieses Thema...

Nun lagen noch 6 Längen vor uns, davon zwei "Marschstrecken" durch den Wald und keine dieser vier effektiven Kletterlängen war schwerer bewertet als 6a. Das sah doch schon ordentlich aus, dachten wir...

Schön zu klettern waren alle, aber so richtig bombastisch war die Länge Nr. 32 "Force ci siamo", wo man an Riesenhenkeln weit über der letzten Sicherung eine überhängende Zone durchstieg.

Die zweitletzte Etappe mit einem zwingenden Runout von knapp 20 Metern über eine zwar schwach strukturierte, aber gar nicht mal so biedere Platte, liess noch einmal Diskussionen zu einem vorgängig angesprochenen Punkt aufflammen. Aber lassen wir jetzt dieses Thema endgültig sein...

Dani hatte nun die Ehre, die Schlusslänge (Nr. 36) und damit den erfolgreichen Durchstieg in trockene Tücher zu bringen. Souverän meisterte er auch diese Aufgabe und schon bald konnten wir uns herzhaft die Hände schütteln: "Apriti Cielo", ein lang gehegter Wunschtraum war Realität geworden.
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Zur grossen Überraschung schrieben wir uns als 6. Seilschaft ins "Gipfelbuch" ein. Das "Büchlein" ist aber am letzten Standplatz wenig prominent platziert und wurde deshalb sicher schon von anderen Seilschaften übersehen. Erfüllt von Glück und grosser innerer Zufriedenheit begannen wir mit Abseilen.

Der Blick auf die Uhr wirkte dabei äusserst beruhigend, war es doch erst Viertel nach Fünf. Dank einem optimal verlaufenden Schlussspurt hatten uns diese 15 Seillängen - trotz etwelchen Startschwierigkeiten - insgesamt viereinhalb Stunden beschäftigt. Ach, wie freuten wir uns nach erfolgreichem Abseilen auf eine Prise Schnupf. Das nun anstehende, und angesichts der bereits vollendeten Aufgabe, überaus gemütliche Biwak konnten wir nun in vollen Zügen geniessen.

Zuerst besuchten wir aber noch unsere Nachbarn Mirco und Simon, die zwei wilden und verwegenen "Einheimischen", die hier oben mehrere Wochen pro Jahr in ihrem Biwak verbringen und der gewaltigen Parete d'Osogna unglaubliche Freikletterlinien abringen.

Per Zufall hatten wir die beiden im oberen Wandteil getroffen und erfahren, dass sie am Abend ebenfalls biwakieren wollten. Mein Schnupfvorrat litt unter dieser Konstellation überdurchschnittlich, aber jede Prise war es wert: So einen gemütlichen Abend, verknüpft mit unauslöschlichen Erinnerungen an eine geniale Wand, erlebt man sehr, sehr selten. Ein ganz herzliches Dankeschön an Mirco und Simon für die Gastfreundschaft.

Frohgelaunt pilgerten wir vor Einbruch der Dunkelheit zurück auf unsere Aussichtskanzel, wo wir schliesslich eine äusserst angenehme Nacht verbringen durften. Anderntags stiegen wir gemütlich ins Tal und kletterten auf dem Nachhauseweg noch kurz durch die "Spigolo diretto" bei Lavorgo. Schliesslich war es für eine Pizza noch etwas zu früh...

Um meinen aufrichtigen Dank für Dani auszudrücken, fehlen mir die richtigen Worte. Eines weiss ich aber mit Bestimmtheit: Solch intensive Erlebnisse mit so tollen Menschen sind schlicht und einfach unbezahlbar!

Biwakfreuden!

Viel Spass allen weiteren Wiederholern und eine angenehme Nacht auf dem komfortablen Biwakband! Schlafet guet und hend Sorg!