Malvaglia 2
Malvaglia Klettergarten, 6a – 7b
Nach der genussvollen Malvaglia-Kletterei an Karsamstag landete ich gut zwei Wochen später wieder in diesem bezaubernden Wald mit seinen steilen Felswänden. Meine Kollegin Stine konnte sich einen freien Nachmittag aus den Fingern saugen und war schnell begeistert für einen Besuch in diesem Klettergarten. Obwohl es ein Werktag war, standen bereits drei «verdächtige» Autos am Strassenrand unter den Felsen. Im mittleren Sektor, wo wir uns diesmal vergnügen wollten, bemerkten wir aber nur eine Seilschaft, zu der wir stets und in genügendem Mass den verlangten Covid-19-Abstand einhalten konnten.
Der Startschuss für unsere höchst motivierte Klettertätigkeit fiel in «Peter Pan» (6a+). Nach meinem unangenehmen «Bodenknaller» am Fuss der Laurinwand, behagte mir dieser Einstieg ganz und gar nicht. Eine flache, fast vertikal aufgestellte Platte lauert da am Boden – sozusagen ein gespiegeltes Damokles-Schwert! Ausgerechnet hier muss ein mittelgrosser Kletteraspirant, wie ich es bin, den ersten Bohrhaken über eine stumpfe Piazschuppe etwas unangenehm anpeilen. Ist dieser Bolt aber geklinkt, folgen herrliche Kletterzüge an Rissstrukturen. Weiter oben folgt eine moosige Platte, bei der aber alle relevanten Griffe und Tritte sauber geputzt sind. Für den proklamierten Grad doch schon ein forderndes Stück Arbeit.
In «Olandese volante» (6b+) berauschten wir uns an griffigen Schuppen. Hier verlangt ein Aufschwung in Routenmitte beherzten Einsatz. Zarte Finger für die vor Ort anzutreffenden, engen Risse wären da sicher vorteilhafter, wie mir gleich anschliessend Stine auf eindrückliche Art bewies. Den unteren Teil dieser Route kletterten wir noch ein zweites Mal und verknüpften ihn mit dem Ausstieg der linken Nachbarroute. Daraus resultierte ein buntes Sammelwerk von Rissen und scharfen Schuppen -schlicht genial. Nun war unser «Motor» genügend warmgelaufen und schien startklar für ein Angriff auf «Tempo di fondue» (7b).
Die dem ganzen Sektor namensgebende Linie startet an einer unverschämt griffigen Schuppe, der ein luftiger Hangelquergang folgt. Ab hier folgen mehrere harte Züge an vertikalen Schlitzen und Rissandeutungen. Manchmal hilft auch ein kleines Crimp-Schüppchen in der glatten Wand für den nächsten Schritt nach oben. Die Fussarbeit muss präzis und oft auch mutig auf minimste Reibung erledigt werden. Ist dann die Schuppe, die wir für die Kombination mit dem «fliegenden Holländer» vorgängig nutzten einmal gepackt, wird man sich definitiv erlöst fühlen. Eine fantastisch anmutende Route - völlig zu Recht mit vier Sternen im Tessiner SAC-Führer gelistet!
Nach dieser eingeheimsten Delikatesse gönnten wir uns die benachbarte Route «Delikatessen» (6c), die über einen leicht überhängend Pfeiler verläuft und merklich griffiger ist, als von unten vermutet. Wie man den markanten Zwischenboden in halber Wandhöhe wohl am elegantesten erreicht, sei an dieser Stelle explizit nicht verraten. Als leicht delikat kann hier wohl jede der möglichen Varianten empfunden werden. Ein unter Umständen fabrizierter Abflug endet dafür absolut gefahrlos im freien Luftraum. Der Ausstieg an einer griffigen Kante lässt den Adrenalinspiegel wieder auf ein gesundes Mass einpendeln.
Wir zügelten einen Sektor höher an den Fuss der «Cristina precisina» (6b+), die für diesen Sektor ebenfalls namensgebend ist. Die andere Stine, die stets fröhliche und quicklebendige Seilpartnerin, hängte sich meine neu erworbenen «Ultralight-Camalots» an den Gurt und ergänzte damit perfekt die im oberen Teil sportliche Absicherung. Die Route ist schlicht eine Traumlinie. Abdrängende Mini-Verschneidungen, ein kurzer Dynamo aus plattiger Startposition, der folgende heikle Schritt aufs Mittelband, das kleine Dächlein und die abschliessende, steile Risskletterei befeuern alle Synapsen im Gehirn. Gut gekämpft, Stine mit der fordernden «Cristina …»!
Inzwischen hatten sich dichte Wolken vor die Abendsonne geschoben und ein frischer Wind säuselte durch den Laubwald. Bevor wir aber unsere Rucksäcke schulterten, gönnten wir uns noch die Begehung der «Bubolina» (6c). Ein schmieriger, weil nasser Griff, bedingte just beim Start etwas Vorsicht. Mit einem gut platzierten Camalot entschärfte Stine den etwas weiten Weg bis zum ersten Bohrhaken. Der feine Fingerriss vor dem zweiten Bolt war dann wie geschaffen für ihre Finger. Auch hier ist in halber Höhe ein kurzer Dynamo vielleicht ein gangbarer Lösungsweg. Die anschliessende, mit verklemmten «Griffsteinen» gespickte Rissverschneidung lässt das Kletterherz höherschlagen – die zweite, schlicht perfekte Route in diesem Sektor! Vielen Dank an Stine für die optimal platzierten Cams in den zwei letzten Linien und natürlich generell für diesen genialen Kletternachmittag in Malvaglia. Stay clean!