Saisonrückblick 2021
Hartnäckiger Altschnee und instabiles Wetter
Ein Rückblick auf die Strahlnersaison 2021
Bruno Müller
Der von mir seit vielen Jahren verfasste, fast schon traditionelle Rückblick auf den vergangenen Strahlnersommer korreliert stets mit den meteorologischen Verhältnissen und der im Winter angehäuften Schneemenge. Bereits Ende Oktober 2020 führten kräftige Schneefälle bis in mittlere Lagen zu einem ersten Wintereinbruch. Eine ausgeprägte Südstaulage mit Starkniederschlägen führte Anfang Dezember zu gefährlich grossen Neuschneemengen am Alpensüdhang und den angrenzenden Gebieten. Von Samstagmorgen, 5. Dezember bis Montagmorgen, 7. Dezember 2020 wuchs sowohl in Maloja (GR) wie auch in Robiei (TI) die frische Schneedecke um satte 160cm. Die weiter nördlich angrenzenden Gebiete, wie das übrige Graubünden, die Urner Alpen oder das Goms, verzeichneten ebenfalls einen Zuwachs von rund 100 cm. Im Oberengadin dauerte das Niederschlagsereignis ganze sieben Tage vom 4. bis 10. Dezember. In dieser Zeit wurde z.B. in Maloja eine 7-Tages-Neuschneesumme von 220 cm und in St. Moritz von 144 cm gemessen, was statistisch gesehen nur rund alle 40 Jahre vorkommt.
Der Januar präsentierte sich vor allem am östlichen Alpennordhang, in Teilen Graubündens und im Obergoms als sehr neuschneereich. An 32 von rund 120 langjährigen Stationen (mindestens 30 Jahre Messdauer) gehören die Neuschneemengen des Januars 2021 zu den drei höchsten je gemessenen Neuschneesummen. Die Neuschneemengen liegen zwischen 55 cm in Buchs (AG, 387 m Meereshöhe), 148 cm in Glarus (GL, 515 m) und 402 cm im Skigebiet Elm (GL, 1690 m). Wenig überraschend wurden daher am 28. Januar 2021 an vielen langjährigen Stationen (Messreihen länger als 50 Jahre) im Gotthardgebiet (Ulrichen: Rang 1 von 80 Jahren) und in der Zentralschweiz Schneehöhenrekorde bzw. Fast-Schneehöhenrekorde für dieses Datum registriert. In den folgenden drei Monaten Februar, März und April 2021 fielen die verzeichneten Schneemengen wieder im normalen Rahmen bis leicht unterdurchschnittlich aus.
Über die ganze 6-Monatsperiode zwischen November 2020 und April 2021 betrachtet, waren die Neuschneesummen unterhalb von 2000 m, mit Ausnahme des westlichen Mittellands, stark überdurchschnittlich. Interessanterweise lag aber in Höhenlagen oberhalb von 2000 m die mittlere Schneehöhe schweizweit grösstenteils im Bereich der Normalwerte. Auf Grund dieser registrierten Schneemengen wäre eine zeitlich normal eintreffende Ausaperung in den höher gelegenen Strahlnergebieten durchaus realistisch gewesen.
Wer im Frühling und Sommer 2021 aber öfters in den Bergen unterwegs war, kann die folgenden Aussagen sicher bestätigen: Der laut MeteoSchweiz kälteste Frühling seit 30 Jahren sorgte in den Folgemonaten in dieser Höhenlage für klar überdurchschnittliche Schneehöhen (Mai: 140 % und Juni: 170 %). Nicht überraschend lagen die Schneehöhen daher Anfang Juni an 51 von 87 Messstationen auf Rang 1, 2 oder 3 der langjährigen Messreihe. Die sonst übliche Schneeschmelze im Frühling fand in höheren Lagen praktisch nicht statt. Es kam für uns Strahlner aber noch übler: Die Sommermonate auf der Alpennordseite gehören laut MeteoSchweiz zu den nässesten, am zentralen Alpennordhang war es lokal der deutlich nasseste Sommer in den über 100-jährigen Aufzeichnungen.
Basierend auf diesen Fakten erstaunt es wohl kaum, dass die Strahlnersaison 2021 vergleichsweise spät startete. Im Vorteil waren sicher jene Teams, die an einer Kluft vom Vorjahr weiterarbeiten durften. Wie viel Altschnee Ende Juli in der Region am Furkapass noch lag, musste Christoph Betschart und seine Freunde auf sehr arbeitsintensive Art feststellen. Gemeinsam schaufelten sie den Zugang zu ihrer neuen Kluft frei und standen schlussendlich in einem sechs Meter tiefen Schneegraben auf dem ersehnten Kluftsatz. Die Kluft war zwar nun wieder am Tageslicht, präsentierte sich aber noch gut gefüllt mit Eis.
Wer sich eine neue Fundstelle suchen musste, marschierte selbst im August noch weite Strecken über die ausgedehnten Schneefelder. Die wenigen fündigen, schneefreien Felsköpfe waren gut besucht. Vielversprechendes Neuland war das aber nicht, dementsprechend fiel auch der Erfolg sehr mager aus. Etwas mehr erwarten durfte man sicher in steilen Felswänden, die mittels Fixseilen zugänglich waren. Aber auch hier schwindet das Potential für Neufunde von Jahr zu Jahr mehr. Zahlreiche Wandabschnitte sind bereits sehr intensiv abgesucht worden und die Chancen auf neue Klüfte werden damit stets geringer. Betrachtet man die grösseren Funde der letzten 10 Jahre, sind es mehrheitlich Klüfte gewesen, die durch den stark forcierten Gletscherschwund zum Vorschein kamen. Bei einer so schlechten Ausaperung, wie wir sie im letzten Sommer erleben mussten, sinkt die Erfolgsquote natürlich rapid. Hinzu kommt das bereits erwähnte, ausserordentlich nasse Sommerwetter, welches wohl viele geplante Strahlnertouren verhinderte.
Der vergangene Strahlnersommer 2021 war – ausgedrückt im Weinjargon – ein eher durchzogener Jahrgang. Über grössere oder spezielle Funde ist mir nichts zu Ohren gekommen. Ich bin aber überzeugt, dass trotz der schwierigen Ausgangslage der eine oder andere Strahlner ein schönes Stück im Rucksack nach Hause tragen durfte. Leider wurden pandemiebedingt auch fast alle grösseren Herbstbörsen nach der erfolgreichen Durchführung der Altdorfer Mineralientage abgesagt. An diesen Börsen wie z.B. in Zürich oder Basel vernimmt man in der Regel noch die eine oder andere Nachricht von Neufunden. Dieser Kommunikationskanal, oder anders ausgedrückt «das Strahlner-Buschtelefon» war nun leider auch gekappt worden. Freuen wir uns auf die kommende Strahlnersaison 2022, in der die äusseren Bedingungen uns Strahlnern hoffentlich wieder besser gesinnt sind. Ich wünsche allen viel Erfolg bei der Suche nach den Schönheiten unserer Berge.