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Chaiserstock

Chaiserstock «Cyndarella» 6c+, 6 SL
Komplettsanierung
Im Sommer 1990 durften mein Bruder Kurt und ich am Chaiserstock eine lohnende Erstbegehung verbuchen. Im Vorstieg von unten fanden wir links vom Westwandpfeiler einen idealen Durchstieg durch Steilwände und herrlich kompakte Platten. Wir waren bereits schon im Besitz einer Bohrmaschine und verwendeten die damals in der Region als Standard geltenden Sondy-Ringbohrhaken. Das von Hand gezeichnete Topo hefteten wir bei der Bergstation der Chäppeliberg-Lidernen-Seilbahn an die Holzwand, wo auf diese Art bereits schon andere Neutouren der Lidernenregion publiziert wurden. Die Skizze überlebte nur wenige Tage. Ob ein Neider oder sonst ein frustrierter Zeitgenosse das A4-Blatt entfernte, fanden wir nie heraus. In der Folge wurde die Route auch in der Führerliteratur sehr stiefmütterlich behandelt und geriet daher in Vergessenheit. Zu Unrecht; wie wir nun anlässlich einer Komplettsanierung feststellen durften.

Mit schwerem Gepäck und rund 60 neuen Bohrhaken in den Rucksäcken machten sich Kurt und ich im Juni 2025 wieder auf den rund 90-minütigen Zustieg zur kleinen Westwand des Chaiserstocks. Dankbar genossen wir während dem Marsch die schattigen Abschnitte in den Mulden und Tälern des Lidernengebiets. Unser Ziel war um 10 Uhr noch komplett von der Sonne abgeschirmt, was uns angesichts der prognostizierten Temperaturen mehr als recht war. Noch sehr gut in Erinnerung hatten wir den kniffligen Einstiegsboulder, den wir damals mit VI+ bewertet hat. Beim Vorstoss in die 1. Seillänge kam mir das aber deutlich schwerer vor. Lag es an der noch vorhandenen Nässe, an einem ausgebrochenen Griff oder schlicht an dem ganzen angehängten Gewicht? Natürlich könnten auch die 35 zusätzlichen Jahre auf dem Buckel der Grund für diese Diskrepanz sein. «Falls wir nach vollendeter Sanierung noch etwas Zeit haben, werde ich diese Länge nochmals ohne den ganzen Plunder klettern», bemerkte ich zu Kurt. «Nur so können wir eine sinnvolle Bewertung eruieren.»

Die ersten 3 Ringbohrhaken waren von unten gut erkennbar. Diese ersetzte ich 1:1 durch neue Anker am alten Standort. Dann entschärfte ich einen ersten Runout mit einer zusätzlichen fixen Zwischensicherung. Leicht rechtshaltend gelangte ich nun ich deutlich gangbareres Gelände, platzierte noch zweimal einen Zusatzhaken und erreichte nach rund 30 Meter Kletterei den nächsten bequemen Standplatz. Kurt kämpfte sich mit schwerem Rucksack über den überhangend Startbereich und landete Minuten später schwer schnaufend an meiner Seite. Der Weiterweg in die 2. Seillänge war für einen kurzen Moment nicht ganz offensichtlich. Dann aber entdeckten wir rechts oben den ersten Ringbohrhaken. Mit einem neu versenkten Bohrhaken kurz nach dem Stand verbesserten wir die Orientierung für Wiederholer. Die nun folgende Steilstufe sorgte bei mir für grosse Freude. Der kompakte, raue Fels und die logische Linie liessen keine Wünsche aufkommen. Weiter oben verbesserte ich mit ein paar zusätzlichen Ankerpunkten die Absicherung und kam frohgelaunt zum nächsten Standplatz.

In der dritten Länge war die Wegführung mehr als klar. Hier erreichten uns nun auch wieder die wärmenden Sonnenstrahlen. Die damals verwendeten 2 Bohrhaken auf rund 40 Klettermeter ergänzten wir natürlich durch weitere rostfreie Laschen. Richtig Freude verschaffte uns dann der Blick in die 4. Seillänge. Die kompakte, schön ziselierte Kalkplatte versprach enormen Klettergenuss. Kurz nach dem Stand versank ein Zusatzanker im Felsen und entschärft nun in Zukunft diesen kniffligen Einstieg. Rechtshaltend wiesen mir wunderschöne Strukturen den Weiterweg entlang einem grossen Überhang zum bequemen Standplatz. Auch Kurt frohlockte: Einerseits wegen der so genussvollen Kletterei, anderseits wegen dem zunehmend leichter werdenden Rucksack.

Nun wendete ich mich nach links, wo ein griffiger Durchschlupf die Überwindung der grossen Dachbarriere erlaubte. Wir staunten beide, wie angenehm diese Passage zu klettern war. Diese Seillänge ist sehr kurz und könnte auch mit dem letzten Teilabschnitt kombiniert werden. Trotzdem erneuerte ich den alten Standplatz und liess Kurt nachsteigen. Noch einmal Hochgenuss verschaffte uns dann die Schlussseillänge, die über kompakte Platten vertikal nach oben führt. Die kniffligste Stelle verlangt exaktes Hinstehen und ein leichtes Ausweichen nach rechts. Allenfalls lässt sich diese Stelle aber auch mit dem Griff zur Exe ermogeln. Direkt an der Gipfelkante bohrten wir die letzten zwei Standhaken und gratulierten uns zu dieser äusserst gelungen Sanierungsaktion.

Beim Abseilen konnten wir direkt mit knapp 50 Metern Standplatz Nr. 4 anpeilen. Drei weitere Manöver später labten wir uns am Wandfuss unten an der deponierten Getränkeflasche. Bald knöpfte ich mich wieder ins Seil und kletterte nochmals die Einstiegslänge, diesmal ohne störenden Ballast und bei trockenen Bedingungen. Scheinbar muss wirklich ein entscheidender Griff im Geröllfeld unten gelandet sein, musste ich doch ordentlich Gas geben um diese Passage frei zu klettern. Daher resultiert nun auch der Bewertungsvorschlag von 6c+ (oder mit Hakenhilfe 6a+, A0).
Der obligatorische Schwierigkeitsgrad für «Cyndarella» liegt somit bei 6a+. Die ganze Route mit ihren 6 Seillängen (6c+ (6a+, A0) / 6a / 5c+ / 6a+ / 5c / 6b) ist sehr gut abgesichert und bietet eine Fülle an sehr lohnenden Kletterpassagen in herrlich kompaktem Felsen. Ein Topo mit Bildern von der "Cyndarella" kann hier im pdf-Format [8 328 KB] heruntergeladen werden. Viel Spass allen Wiederholerinnen und Wiederholern in der kleinen Westwand des Chaiserstocks. Ein Besuch lohnt sich!