Sanbalm "Lichtmeer"
Sandbalm "Lichtmeer", 6b, 6 SL
Eine weitere, eindrückliche Abendkletterei: Zusammen mit Stine durfte ich bei der Durchsteigung der "Lichtmeer" an der Sanbalmfluh wieder einmal den fantastisch strukturierten Granit in vollen Zügen geniessen. Unsere Mittwochs-Truppe schrumpft immer mehr. Da sind einerseits familiäre Verpflichtungen, andere weilen schon in den Ferien. So meldeten sich nur Stine und ich in der WA-Gruppe für diesen Abend.
Für uns zwei "letzte Mohikaner" bot sich damit die Gelegenheit für eine gemütliche MSL-Tour. Den Tag hatte ich bereits in der Schöllenenschlucht mit Putzarbeiten an den Routen "Stiebender Steg" und "Optimus" verbracht. Dementsprechend machte sich auch eine gewisse Müdigkeit bemerkbar. Für eine kraftschonende Plattenkletterei sollte es aber bestimmt noch reichen...
Da am Gotthard-Nordportal freie Fahrt gemeldet wurde, düsten wir mit Stine's rotem Campingbus in die Göscheneralp und parkten in der Voralpkurve, direkt unter der imposanten Sandbalmfluh. Die Temperaturen waren perfekt und die bereits im Schatten liegende Wand war in besten Konditionen. Der steile Aufstieg zum Wandfuss war schnell erledigt und um 18.30 Uhr standen wir angseilt bereit für die Reise ins "Lichtmeer". Die Route beginnt schon auf den ersten Metern mit einer kniffligen Wandstelle. Wer hier schon Mühe bekundet, steigt besser gar nicht ein. Entlang einer Schuppe und über schön gestuften Fels ist der Rest dieser Seillänge aber deutlich gemütlicher zu meistern.
In der zweiten Länge folgen wieder ein paar feine Plattenpassagen, dazwischen kann ab und zu wieder den Füssen etwas Erholung gegönnt werden. Der sonst zu Beginn des Sommers anzutreffende Restschmutz der Schneeschmelze war abgeregnet - die ganze Linie war praktisch durchgehend sauber und in einwandfreiem Zustand. Stine gewöhnte sich rasch an diese Art Kletterei und stand immer frecher auf ihren Schuhsohlen.
In der dritten Sequenz stand nun die Schlüsselstelle auf der Agenda. Vom Stand weg ist der nahe Bohrhaken zu klinken, dann gilt es noch ein paar Schritte über den Haken hinweg hoch zu "schleichen". Hier war ich eindeutig zu frech unterwegs und büsste diesen Übermut mit einem "Flug zurück auf Feld 1". Neuer Versuch mit etwas mehr Konzentration: Es geht doch! Vom zweiten Bohrhaken weg beginnt eine fantastische Zone mit eingelagerten Quarzbändern und vielen Dellen, die für eingefleischte Plattenkletterer echt berauschend sein können.
Die Abstände zwischen den fixen Sicherungspunkten fordern immer wieder ein beherztes Vorwärtssteigen. Der angegebene Schwierigkeitsgrad ist daher obligatorisch zu klettern. Viel zu schnell kam die Standplatzverankerung ins Sichtfeld - Zeit für eine Pause und das Nachsichern von Stine. Gewarnt von meinem Sturz, fand sie etwas rechtshaltend eine bessere Möglichkeit und stiieg die Schlüsselstelle souverän durch. Die folgende, quarzgespickte Platte begeisterte auch sie und strahlend klickte sie ihre Selbstsicherung bei mir am Stand ein.
Die vierte Seillänge beginnt genau gleich, wie die dritte endet. Dellen, Leisten, Quarzknollen und ab und zu ein fussbreites Band weisen den Weg durch dieses Meer aus Granit. In einer grossen Zick-Zack-Linie folgt die Route dem Weg des geringsten Widerstands. Eine absolute Traumlänge! In der Sparte Reibungskletterei gehört der Fels der Sandbalmfluh zur Elite. Die Reibung ist unglaublich, der Fels extrem körnig und daher nie eintönig. Ich staune immer wieder, wie steil man hier im Vergleich mit anderen Granitgebieten auf Reibung klettern kann.
Hoch konzentriert stieg Stine wieder einwandfrei nach und äusserte sich lobend über die Qualität der Route. Nun fehlten uns noch zwei Längen mit weiteren, kniffligen Plattenstellen, dann war mit dem grossen "Muniring" unter dem Arvenbusch das Ende der Route erreicht. Wir fädelten die neuen, leuchtend farbigen Halbseile in den Ring und begaben uns auf die Abseilfahrt über das "Verlorene Paradies". Das Seileinziehen war in diesen Plattenschüssen stets ein Vergnügen und die Seilenden pfiffen uns nur so um die Ohren. Kurz vor 21 Uhr standen wir beide wieder am Wandfuss und genossen die herrliche Abendstimmung. Ein Besuch der grösste Tanne der Schweiz durfte beim Abstieg natürlich nicht fehlen. Imposant, wie dieser Baum seit Jahrhunderten allen Natureinflüssen trotzt und so mächtig im steilen Hang Wurzeln schlägt.
"Lichtmeer" zählt zu den lohnendsten Routen an der Sandbalmfluh. Sie fordert etwas mehr Engagement als "Bijou", bietet aber gesamthaft gesehen deutlich mehr schöne Passagen. Wer ein 6b in Plattenkletterei sicher drauf hat, sollte sich diese Route unbedingt einmal gönnen. Viel Spass allen WiederholerInnen.