Glatten "Uristier"
Chli Glatten "Uristier" 6c+, 6 SL
In Altdorf herrschten an diesem Tag 36°C Hitze und es wehte ein leichter Föhn. Da gab es nur eine Alternative: ab in die Höhe zum Klettern! Zuerst musste aber noch der Feierabend erkämpft werden, bevor wir schliesslich um 18.15 Uhr endlich, endlich unter den steilen Wänden des Chli Glatten standen. Der Zustieg war schon erstaunlich schneefrei. Unglaublich, was eine warme Woche mit Föhneinflus im Vorsommer bewirken kann.
Der Chli Glatten mit seinen mehr als 40 Mehrseillängen-Routen hat sich zu einem beliebten Kletterspot entwickelt. Die meisten Linien wurden von einheimischen Kletterern aus verschiedenen Generationen erstbegangen. Daneben haben aber immer wieder gute Kletterer aus anderen Kantonen Akzente gesetzt. Erst im letzten Jahr kam mit "Uristier" eine neue Tour dazu, welche die Handschrift von Marcel Dettling trägt.
Unser eigentliches Ziel, das Mettener Butzli liessen wir links liegen, als wir bei der Durchfahrt in Unterschächen erfreut feststellen konnten, dass der Zustieg zum Chli Glatten schon ziemlich aper ist. So frästen wir weiter zum Klausenpass und hetzten an den Einstieg hoch. Beim Abendklettern zählt oft jede Minute, will man nicht in die Dunkelheit geraten.
Von "Uristier" hatte ich das Topo natürlich nicht dabei, aber ich wusste ungefähr, wo der Einstieg ist und dass die Bewertung bei 6c+ lag. So stiegen wir mit einer leisen Ungewissheit ein und waren echt gespannt, wo uns die Crux wohl erwarten würde. Anderseits war man so bei jeder Seillänge stets konzentriert und voller Neugier unterwegs.
Die erste Länge bietet sehr schöne und vielseitige Kletterei mit einigen Auflegern. Sie endet auf einem bequemen, grossen Grasband. Obwohl ich eher ein Langsamstarter bin, lief es mir in dieser Länge wie am Schnürchen. Ergo konnte es noch nicht die Schlüssellänge gewesen sein.
In der zweiten Länge folgte nach einer schönen, plattigen Hälfte mit vielen kleinen, aber positiven Griffen ein kurzer, herber und kraftraubender Aufschwung. Dannach wies eine Riss-Verschneidung im klassischen Alpinstil den Weiterweg zum zweiten Stand. War das eventuell die Crux gewesen?
Wir blieben gespannt, sah doch der Beginn der dritten Länge ebenfalls ordentlich steil aus. Bei näherer Betrachtung kamen aber immer wieder gute Griffe zum Vorschein, die ein genussvolles Klettern erlaubten. Noch steiler erschien dann die vierte Länge. Die etwas kürzeren Hakenabstände deuteten jedenfalls auf vermutlich schwierigeren Fels hin. Einmal am Klettern, tauchten da und dort gute Löcher und Querleisten auf, die uns beim Klettern grosses Vergnügen bereiteten. Insgesamt war dies punkto Schönheit wirklich der beste Abschnitt der ganzen Tour.
Die fünfte Länge schliesslich sah von unten splitterig aus, was auch die eng steckenden Haken erklärte. Diese Sequenz lief aber ganz ordentlich. Insgeheim liebe ich diesen "verschachtelten", kleingriffigen Fels, der so viele Möglichkeiten zum Klettern bietet. Allerdings brach mir unter den Füssen ein Tritt weg, was aber dank zwei ausgezeichneten Griffen, die ich im selben Moment fixierte, nicht zu einem Sturz geführt hat. Voller Tatendrang hängte ich gleich die sechste und letzte Länge an. Mit einem Jauchzer klinkte ich schliesslich meine Selbstsicherungsschlinge in die solide Standplatz-Platte und freute mich über eine komplette Onsight-Begehung.
Im Wand- oder besser gesagt Gipfelbuch waren doch schon ein paar namhafte Vertreter der Kletterszene verewigt. Wir trugen uns ebenfalls in das "grossformatige" Buch ein und querten dann links rüber zum letzten Stand des klassischen Südpfeilers (Steinmanndli).
Mit drei Seilmanövern à je 60 Metern standen wir kurz nach 21 Uhr wieder am Wandfuss. Welche Freude es doch war, einen herzhaften Schluck Tranksame in die trockene Gurgel zu schütten!
Wir schnürten unsere Treckingschuhe, krempelten die Socken hoch und benutzten für den schnellen Abstieg die restlichen, gut tragenden Schneeflecken.
Am gegenüberliegenden Berghang glänzten Clariden und Schärhorn im letzten Sonnenlicht. Es war wirklich ein unglaublich stimmungsvoller Anblick und wohl einer der besten Kletterabende, den ich hier oben erleben durfte.
"Uristier" ist wirklich ein sehr gelungenes Werk. Die Route bietet vielseitige Kletterei in mehrheitlich gutem bis sehr gutem Fels und begeistert mit eine paar ganz lohnenden Kletterzügen. Die Absicherung ist abstandsmässig genau richtig dosiert und ist auch an den zum Einhängen geeigneten Orten platziert. Besten Dank der Familie Dettling für das Gemeinschaftsprojekt und den grossen Einsatz!
Die Abseilerei über "Uristier" kann ich nicht beurteilen, da wir über den Südpfeiler abgefahren sind (3 x 60m). Wie ich es aber beurteile, kann auch sehr gut über "Uristier" abgeseilt werden. Siehe auch den Bericht zur Erstbegehung und das Topo von Marcel Dettling.
Der Chli Glatten und seine wirklich lohnenden Routen ist während der hellen Sommermonate auch als Abendklettergebiet eine Überlegung wert. Allerdings muss man eine gewisse Effizienz an den Tag legen, will man nicht in den steilen Wänden im unbequemen Schlingenstand übernachten....
Vielen Dank an meinen Kletterpartner Richi, der mich mit seinen Abseilkünsten und seiner stoischen Ruhe immer wieder verblüfft. So macht es wirklich Spass!
Wir dürfen hoffentlich wieder kommen in das gelobte Land am Klausenpass.....
Ach, fast hätte ich es vergessen: Die Schlüsselstelle liegt ziemlich genau in der Mitte der zweiten Seillänge!