Herrliche Tage im Voralptal
Drei herrliche Tage im Voralptal
Emanuel Regli, Schattdorf
Diesen Sommer 2014 spielte das Wetter den Strahlnern nicht sonderlich in die Karten. Ein Tiefdruckgebiet jagte das andere. So entschieden wir uns am Sonntag, den 10. August 2014, für einen Gebietswechsel ins Voralptal. Wir verliessen die durchaus vorhandenen Vorzüge der Villa Erotica, welche aber nur bei schönem Wetter richtig zur Geltung kommen, und tauschten diese gegen den Komfort der Voralphütte. Bei den eher kühleren Temperaturen und dem nassen, unsicheren Wetter sicherlich die richtige Entscheidung. Der Montag war noch ein verregneter Tag, so dass Bruno und ich erst gegen Abend losmarschierten. Kurt folgte uns dann am Dienstagmorgen. Als wir um 16:45 Uhr in der Voralpkurve starteten, staunte ich nicht schlecht, als Bruno plötzlich einen Regenschirm öffnete. Noch nie hatte ich einen Strahlner mit Schirm gesehen. Ob er den wohl auch als Strahlstock benutzen kann?
Pünktlich auf das Abendessen kamen wir mehr oder weniger vom Regen verschont in der Voralphütte an. Insgesamt waren mit uns 15 Personen und die zwei Hüttengehilfinnen Luzia und Geraldine anwesend. Das Hüttenwartepaar hatte wohl auch genug von diesem Sommer. Sie nahmen sich eine kleine Auszeit, und machten ein wenig Ferien im Tal unten. Bruno, der die Hütte jahrelang bewirtschaftet hatte, konnte es nicht lassen und bot Luzia und Geraldine unsere Hilfe an. So sahen wir uns wenig später in der Küche beim Abtrocknen wieder. Natürlich hatten die zwei Frauen nichts dagegen. Trotz allem war es ein gelungener Abend und wir kamen erst wieder gegen 23:30 Uhr aus der Küche. „Es Hüttekaffi idä Voralphitte isch halt scho eppis feins!“ Am nächsten Morgen standen wir gegen 07:00 Uhr auf und genossen ein währschaftes Morgenessen. Gegen 07:30 Uhr tauchte auch Kurt auf. Nach einem kurzen Kaffee brachen Kurt und Bruno Richtung Sustenhorn auf. Ich versuchte mein Glück Richtung Brunnenstöckli.
Petrus war an diesem Dienstag gnädig gestimmt, schickte er uns doch nur den grauen Nebel und keine dunklen Gewitterwolken ins Voralptal. Durch diesen Nebel war aber hin und wieder der blaue Himmel zu sehen, was mich sehr zuversichtlich stimmte. Meine Route führte dem Höhenweg entlang bis unter den Gletscher. Bereits auf dem Weg hielt ich die Augen offen für Kluftanzeichen, verdächtige Sätze, bereits vorhanden Risse, usw. Manchmal musste ich auch inne halten und den Rucksack abziehen, damit Schutt und Steine besser weg geschabt werden konnten. Immer wieder machte ich den 360°-Rundumblick. Je höher ich gegen den Gletscherrand kam, desto mehr merkte ich, dass da schon lange kein Strahler mehr gewirkt hatte. „Neuland“ dachte ich mir! Auf einem kleinen Felsvorsprung machte ich wieder den oben erwähnten 360°-Blick und sah ca. 15 Meter weiter unten einen Riss. Beim Aufstieg hatte ich diesen nicht gesehen. Die Entscheidung weiter hochzusteigen, oder zurück zu der verdächtigen Stelle abzusteigen, fiel mir in diesem Augenblick nicht leicht. Als Kristalljäger muss man aber auch mal zurücksteigen, um sein Gewissen zu beruhigen.
Unten sah ich mir die Stelle genauer an und es gefiel mir sehr gut. Mit dem Pickel und meinem Schaber fing ich sofort an, den Schutt vor dem Klufteingang weg zu befördern. Schon bald stiess ich auf die ersten Spitzen. Nun hiess es, das eher klobigere Werkzeug auszutauschen und das etwas filigranere Häklein, welches ich noch im Rucksack hatte, zur Hand zu nehmen. Die ersten Spitzen waren im Chloritsand eingebettet. Die Qualität war eher enttäuschend, als ich die ersten Spitzen im vorbei fliesenden Gletscherbach wusch. Mit dem Spitzeisen und Fäustel konnte ich dann aber in verblüffender Weise viele Gesteinsbrocken vom Felsen lösen. Die Kluft wurde immer grösser. Schnell merkte ich, dass die Qualität auf der linken Seite immer besser wurde. Die Spitzen waren nicht mehr chloritbehaftet, sondern wiesen den typischen Voralpglanz auf. Vereinzelt waren die Spitzen mit Limonit überzogen. Limonit ist kein eigenständiges Mineral, aber eine Mischung aus ähnlichen hydrierten Eisenoxiden und ist in der Voralp häufig anzutreffen.
Die meistens gelben Limonitüberzüge sollten aber beim Putzen mit Oxalsäure nahezu verschwinden. Die Kluftdecke war mit grossen Spitzen besetzt. Da die Kluft sehr reif war, konnte ich viele Gruppen von der Decke lösen. Weiter links konnte ich wiederum einigen Schutt herausschaben und kam plötzlich aufs „Lebendige“, wie man im Strahlner-Jargon sagt. Im Schutt befanden sich jetzt nicht nur Spitzen sondern auch Gruppen, welche sich schon früher von der Decke gelöst hatten. „Jetzt kommt das grosse Ernten!“ Langsam und immer mit der nötigen Vorsicht durfte ich einige schöne Exemplare bergen. Eingebettet in Chloritsand und Lehm konnte ich die Steine problemlos herausziehen. Meine zwischenzeitlichen Jauchzer dröhnten durchs Voralptal, fanden aber wohl kein Gehör. Diese erfolgreichen Momente im Leben eines Strahlners gönne ich jedem von Herzen. Mein Steinlager neben der Kluft hatte bereits eine beträchtliche Grösse angenommen. Je weiter ich aber vordrang, desto enger wurde die Kluft. Den sogenannte „Honig“ hatte ich also bereits aus der Kluft genommen und neben mir deponiert.
Wie immer wenn man etwas gefunden hat, packte ich die besten Steine ein und führte ein erstes Auswahlverfahren durch. Die Stücke, die mich nicht besonders interessierten, wurden im hohen Bogen über die Felswand geworfen. Wiederum andere nochmals in die Kluft gelegt, damit diese bei einem weiteren Besuch der Kluft mitgenommen werden konnten. Um ca. 15 Uhr machte ich mich dann bereit für den Weiterweg. Durch diesen überraschenden Fund musste natürlich meine geplante Route abgekürzt werden. Ich war aber froh darüber, denn mein Rucksack hatte doch ein beträchtliches Mehrgewicht erhalten. Ein paar Höhenmeter machte ich dann trotzdem noch. Etwa 100 Meter weiter rechts musste ich wohl oder übel meinen Rucksack wieder abziehen. Auf einem Felsvorsprung sah ich wieder einen sehr verdächtigen Riss. Wiederum konnte ich mit dem Spitzeisen und dem Fäustel einige Brocken vom harten Gneis lösen. Schon bald hatte ich den Riss zu einer Kluft vergrössert. Erneut kamen Spitzen, welche aber nicht nur mit Limonit überzogen waren, sondern auch sehr stark chloritisiert waren. Leider konnte oder besser wollte ich kein Stück mitnehmen. „Schade“ das wäre noch das sogenannte „i-Tüpfelchen“ des sonst schon erfolgreichen Tages gewesen. Ich ging noch ein wenig weiter, ehe ich mich auf den Weg zur Hütte machte.
Beim Abstieg dachte ich an Bruno und Kurt. Was würden sie wohl zu meinen Steinen sagen! Um ca. 17:30 Uhr sass ich dann beim ersten Bier auf der Terrasse. Gespannt blickte ich mit meinem Feldstecher Richtung Sustenhorn. Zwischenzeitlich schickte Petrus weitere Nebelschwaden durchs Voralptal, so dass ich nur mit Glück einen nahezu reinen Blick auf das Sustenhorn ergattern konnte. Als ich dann den Boden meines Bieres sah und meine „Krumme“ nahezu aufgeraucht war, ging ich ihnen entgegen. Nach einer Weile sah ich die Beiden über die sogenannte „Bibob-Route“ absteigen. Ich war froh, die Zwei zu sehen, denn es war schon nach 18:00 Uhr. Auf einem Stein sitzend, wartete ich gespannt auf meine beiden Onkel. Der Gang von Bruno und Kurt über die lästige Moräne sah nicht mehr so frisch und spritzig aus wie gewohnt. Die Rucksäcke, welche die Zwei über die Schulter trugen, sahen von weitem her prall gefüllt aus. Hatten die zwei Glückspilze auch eine Kluft gefunden?
Innert Kürze waren die Beiden bei mir und der obligate „Willkommensschnupf“ war auch schon parat. Sichtlich gezeichnet von den Strapazen, aber beide lachend bis über die Stockzähne, sagten Sie zu mir: “Wenn du genau so viel gefunden hast wie wir, dann war es ein sehr gelungener Tag für das „Villa-Erotica-Team“. Nun konnte ich mir ein Schmunzeln nicht mehr verkneifen. Gemeinsam liefen wir dann zurück zur Hütte, wo auch schon unser Abendessen wartete. Dieses 4-Gang-Menü mit Suppe, Salat, Älplermagronen und einem kleinen Dessert, nahmen wir in Gesellschaft einer 3-köpfigen Holländer Familie ein. Die Familie war ein wenig aufgeregt, da sie in der falschen Annahme, man könne überall auf Schweizer SAC-Hütten mit Kreditkarten bezahlen, offensichtlich zu wenig Bargeld dabei hatten,. Die Schweiz sei doch so fortschrittlich… Nach diesem ausgiebigen Abendessen wollten wir natürlich ein paar der gefundenen Kostbarkeiten anschauen und im hütteneigenen Wassertrog waschen.
Die Grüppli von Bruno und Kurt musste man wirklich nur kurz unters Wasser halten, damit sie sauber wurden. Die Qualität war genial. Das sind wahrlich herrliche Minuten, wenn man den Fund des Tages begutachtet. Nach dem ich dann noch meine besten zwei Stücke zeigte, strahlten die Beiden noch mehr. Später am Abend widmeten wir uns noch den Jasskarten. Leider fehlte uns noch Sepp, der 4. Mann, für einen richtigen Schieber. Somit blieb uns nur den Königsjass, den man ja zu dritt spielt. Am nächsten Morgen war das Wetter wieder nicht mehr so gut. Als wir aufstanden regnete es in Strömen. Ans Strahlnen war leider nicht zu denken. Somit mussten wieder die Jasskarten her. Kurz vor Mittag nutzen wir eine kleine Aufhellung am Himmel, und entschieden uns, ins Tal hinunter zu gehen. Obwohl uns eigentlich nur ein richtiger Strahlnertag blieb, waren es trotzdem drei herrliche Tage in der Voralpütte. Die Zeit mit guten Freunden in den Bergen zu verbringen, ist doch das Schönste was man sich vorstellen kann.