Saisonrückblick 2016
Schwieriger Start mit perfektem Schlussspurt
Ein Rückblick auf die Strahlersaison 2016
Bruno Müller
Die vergangene Saison zeigt bis anhin erstaunliche Parallelen zum aktuellen Jahr. Ein praktisch schneefreier Jahreswechsel und die ausgedehnte, monatelang andauernde Hochdrucklage erinnern momentan stark an den trockenen Beginn im Jahr 2016. Diese schneearme Phase dauerte den ganzen Winter an, was per Ende März zu einer deutlich unterdurchschnittlichen Schneehöhe im Gebirge führte. Der bekannte Strahler Konrad Mattli hat in seinen jahrzehntelangen Wetter-Aufzeichnungen festgestellt, dass im Raum Göscheneralp die grössten Schneemengen stets im April vom Himmel fielen. Er sollte dies auch im Frühling 2016 wiederum bestätigt bekommen. Leider standen auch der Mai und besonders der Juni dem hundsmiesen April in nichts nach und brachten weitere, zum Teil intensive Niederschläge. Besonders der Juni wird vielen Strahlern in ganz schlechter Erinnerung bleiben. Man freute sich bereits auf den kommenden Sommer, das Werkzeug stand griffbereit und das Strahlerfieber stieg und stieg. Aber nein! Fast an jedem Tag im Juni fiel das deprimierende Nass vom Himmel. In den höheren Regionen geschah dies in kristallisierter Form – die Schneehöhe wuchs stetig und begrub alle vielversprechenden Stellen unter ihrem weissen Mantel. Kein Wunder, begann die Strahlerzeit eher harzig. Interessant war, das die Bedingungen lokal sehr unterschiedlich waren Im unteren Kantonsteil war die Schneelage weniger besorgniserregend, rund um den Furkapass herrschten Ende Juni aber fast winterliche Bedingungen. Die Skitourensaison dauerte dementsprechend auch länger als gewohnt. Irgend jemand freut sich immer, egal wie sich das saisonale Wetter zeigt! Für die Hochgebirgsstrahler hiess es nun: Flexibilität zeigen und tiefer gelegene Regionen bearbeiten!
Etwas besser erging es jenen Strahlern, die eine Kluft vom Vorjahr angehen konnten und diese mittels Schneeschaufel wieder befreien konnten. Frank Woldert und Jost Herger zeigten sich von den herrschenden Bedingungen völlig unbeeindruckt und waren schon früh im Jahr an ihrer „Tunnelkluft“ im Becken des Dammagletschers tätig. Fast gänzlich unabhängig von den Wetterkapriolen ist das Team Franz von Arx und Elio Müller. Tief im Planggenstock trieben sie ihren Stollen weiter vor und kämpften in zäher Manier gegen den harten Granit. Am Tiefengletscher nahmen auch Fredi Desax und Sepp Imholz die Arbeit an ihrer Morion-Fundstelle auf. Ihr komfortabler Vorplatz musste allerdings vom Schnee befreit werden. Die eigentliche Kluft bot Schutz genug, um weiter nach den hochglänzenden schwarzen Quarzspitzen zu schürfen. Viel Arbeit investierten die zwei in die Entfernung eines massiven Calcitriegels, hinter dem ein weiteres Morion-Lager vermutet wurde.
Einen Zugangsstollen, diesmal aber aus Gletschereis bestehend, nutzten auch Brosi Müller und Sepp Bonetti. Dank diesem Eisschlauch gelangten sie zu ihrer ergiebigen Stelle unter dem Gletscher und ernteten bei nasskalten Bedingungen ihre kostbaren Funde. Eine andere, ebenfalls erfolgsversprechende Methode wandte Thomas Steinbrugger an: Am Fixseil hängend, erkundete er die steilen, aber schneefreien Wände über dem Sidelengletscher und konnte da und dort ein paar schöne Funde entdecken und nach Hause bringen. Zusammen mit meinem Bruder Kurt verfolgte ich die gleiche Taktik und besuchte kletternd unsere Stelle hoch oben in einer abweisenden Wand.
Im Juli konnte man zaghafte Ansätze des Sommers feststellen. So richtig schön und warm wurde es aber erst im August. Was folgte, waren ein paar eindrückliche Hochdrucklagen, die oft über eine ganze Woche hinweg strahlend blauen Himmel, viel Sonnenschein und praktisch keine Gewitter beinhalteten. Es war dies mit Abstand die beste Zeit, die sich glücklicherweise bis weit in den September hineinzog. Nun waren auch die verheissungsvollen Stellen einigermassen gut ausgeapert und die Aussicht auf Neuland stieg von Tag zu Tag. In der Göscheneralp wussten Christoph Betschart und Joel Regli diesen Umstand zu nutzen und genossen viele erfolgreiche Tage in ihrem Biwak. In harter Arbeit rückten sie ihrer Kluft zu Leibe und bargen schöne Gwindel und Rosafluorit. Auch Adi Furrer war unermüdlich unterwegs und besuchte seine vielversprechenden Fundstellen. Karl Tresch wiederum verbrachte viel Zeit am hängenden Seil und konnte aus den steilen Wänden der Göscheneralp schöne Kristalle bergen. Es war ein emsiges Treiben während diesen zwei Monaten.
Leider mussten wir aber auch feststellen, dass einige Mineraliensammler ohne Patent die Gegend rund um die Göscheneralp und den Furkapass besuchten. Das Gebiet ist sehr weitläufig und unübersichtlich, was natürlich zu diesem unfairen Verhalten animiert. Ich kann verstehen, dass jemand ohne Patent gerne mal eine kurze Stippvisite in diesen kluftreichen Gegenden unternimmt und das Gebiet kennen lernen will. Womit ich aber Mühe bekunde, sind jene Gesellen, die unverfroren mehrere Wochen patentlos unterwegs sind und in allen Klüften, egal ob belegt oder nicht, tätig werden. Es liegt an uns Strahlern, diese Machenschaften zu unterbinden, indem wir konsequent dem Mineralienaufseher solche Vorkommnisse melden.
Die Kontrolleure können unmöglich überall gleichzeitig sein. Sie bemühen sich aber wirklich redlich, auch zum Schutz aller ehrlichen Strahler, der Verordnung Nachdruck zu verleihen. Wenn jemand eine Gletscherwanderung unternimmt und ab und zu einen Kristallspitz aufliest und mitnimmt, ist das sicher eine harmlose Angelegenheit. Wenn aber besetzte Stellen ausgeräumt und sogar deponierte Bohrmaschinen entwendet werden, hört der Spass ganz schnell auf. Darum, liebe Strahler, seid wachsam und scheut euch nicht, kurz mit dem Aufseher telefonisch Rücksprache zu nehmen. Es braucht nur ein, zwei ertappte Diebe, um die psychologische Hemmschwelle wieder höher zu setzen und damit wieder etwas Ruhe ins Gebiet zu bringen.
Die vergangene Saison startete harzig, aber erlaubte es dafür, bis weit in den Herbst hinein tätig zu bleiben. Ausserordentliche Funde oder spektakuläre Klüfte kamen, soweit ich informiert bin, nicht zum Vorschein. Dies will aber gar nichts bedeuten. So mancher Strahler hütet seine Geheimnisse wie den eigenen Augapfel. In der Regel werden aber erfolgreiche Strahlgänge irgendwann doch bekannt: Wenn zwei von einem Fund wissen, ist es oft schon einer zuviel.
In diesem Sinne kann so ein Rückblick unmöglich umfassend sein. All jene Strahler, die schöne Funde getätigt haben und hier leider nicht erwähnt sind, mögen mir dies herzlich verzeihen. Ich bin aber glücklich, wenn sie in einem Mineralienfreund-Artikel über ihren schönen Fund – zur Freude aller Leser – berichten.
Allen Strahlern wünsche ich einen erfolgreichen Start in die neue Saison, viele schöne Momente hoch oben am Berg und reich gefüllte Rucksäcke beim Abstieg. Mögen sie wieder heil, gesund und zufrieden nach Hause kommen.