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Horefellifluh

Horefellifluh
«Mondpalast», 6b, 7 SL
"Absiits», 6a+, 9 SL
Das Voralptal, ein idyllischer Seitenarm der Göscheneralp, wird von mächtigen Granitwänden dominiert. Im vorderen, engen Talbereich sind es vor allem die Basiswände vom Salbitschijen Westgrat, die beeindruckend in die Höhe schiessen. Bei der Alp Horefelli öffnet sich das Tal in Form einer kleinen Hochfläche, dessen Weiden leider zunehmend unter Schuttlawinen verschwinden.

Nördlich der Alphütte thront die rund 300 Meter hohe Horefellifluh, die von einem mächtigen Dachüberhang durchschnitten wird. In dieser scheinbar glatten Granitwand verlaufen ein paar lohnende Kletterrouten aus den Achtzigerjahren des vergangenen Jahrhunderts. Ein Teil dieser Linien erhielt nun in den letzten Jahren durch das Urner Kletterpaar Sylvia Kempf / André Arnold ein sanftes «Facelifting».

Am 30. April - und damit ungewohnt früh im Jahr – stapften mein Bruder Kurt und ich über Wegspuren zum Einstieg von «Mondpalast» hoch. Die von Martin Wiesmann und Freunden im August 1990 eröffnete Route führt in sieben gestreckten Seillängen links am grossen Dachüberhang vorbei mitten in die beeindruckende Schlusswand hinein. Mit der im Sommer 2024 erfolgten Sanierung rückt diese Route wieder vermehrt ins Visier der Klettergemeinde. Wenige Meter rechts der montierten Gamelle mit dem leider total durchnässten Wandbuch befindet sich der Start in diese logische Linie.

Ins kleine Schneefeld am Wandfuss hauen wir mit den Bergschuhen ein paar Tritte rein, damit wir mit den später montierten Kletterfinken problemlos passieren können. Kurt, inzwischen von seiner Handoperation vollständig genesen, nimmt sich der ersten Länge an. Ein paar Bohrhaken weisen ihm den Weg. Im Mittelteil muss dann zusätzlich mobil abgesichert werden. Mit Erreichen der Standplatzkette sind bei mir an Wandfuss unten auch die letzten Meter der Zwillingsseile durch das Sicherungsgerät gezogen.

Zu Beginn der 2. Seillänge kommen in der rechts hochziehenden Verschneidung ebenfalls die mitgeführten Camalots zum Einsatz. Weiter oben dienen dann ein paar glänzende Bohrhakenlaschen als willkommene Wegweiser zum nächsten Standplatz. Die Wegführung der 3. Sequenz ist eindeutig und bringt uns über einen markanten Pfeiler an den Fuss der steileren Schlusswand.

Was wir schon unten bei der Alp Horefelli befürchtet hatten, bewahrheitet sich nun vor Ort. Ein fetter Wasserstreifen tangiert die folgenden drei Seillängen. Zum Glück besteht hier die Möglichkeit, über eine Rampe in den oberen Teil der benachbarten «Absiits» zu gelangen. Diese scheint soweit trocken zu sein. Die vorhandenen Bohrhaken belegen zudem, dass auch diese Route vorbildlich saniert wurde. An dieser Stelle ein herzliches Dankeschön an Sylvia und André für den tollen Arbeitseinsatz.

Die nächsten vier Seillängen bieten ein Mix aus Platten, Verschneidungen und teilweise selbst abzusichernden Rissen. In der Schlusslänge ist die Wegfindung nicht mehr so offensichtlich erkennbar. Dann entdecke ich aber den Kettenstand links aussen und erreiche wenig später das Ende der Route. Der thermische Aufwind lässt uns nur kurz Verweilen. Zügig rauschen wir den Seilen entlang über die zurückgelegten Kletterpassagen dem Wandfuss zu. Inzwischen ist der obere Teil von «Mondpalast» dank dem zügigen Wind und der intensiven Sonneneinstrahlung soweit abgetrocknet, dass wir nun einen Versuch wagen können. In bestem Fels und auf einer absolut naturgegebenen Linie steigen wir wieder dem Himmel zu.

Der Start in die nominelle Schlüssellänge präsentiert sich zwar noch ordentlich feucht. Der erste Rechtsquergang an Untergriffen bringt mich dann aber schlagartig in trockene Gefilde. So wird das Hochturnen an den fantastischen Schuppen zu einem wahren Freudentanz. Der abschliessende Risskamin kann Kurt nur noch gelegentlich beim Platzieren der mobilen Sicherungen etwas ausbremsen. Bald aber ist auch in «Mondpalast» der höchste Punkt der Route erreicht. Erneut fädeln wir die Seile in den Abseilring und stehen nach insgesamt sieben Manövern wieder unten am Wandfuss. Nun fehlt uns noch die untere Routenhälfte von «Absiits». Ein blau aufgemaltes «A» und die vorhandenen Bohrhaken markieren deutlich, wo die Route hochführt. Nach kurzer Rast folgen wir diesen Wegzeichen.

Der Routenname korreliert im unteren Teil leider auch mit der Schönheit der angetroffenen Kletterpassagen. Im Vergleich mit der «Mondpalast» steht «Absiits» wirklich ein wenig im Abseits. Ist der obere Teil durchaus noch als lohnend einzustufen, muss in der ersten Routenhälfte doch etwas Botanik durchquert werden. Der leicht brösmelige Fels wird durch weitere Begehungen aber sicher noch genussvoller werden.

Auf den ersten vier Seillängen sind die Standplätze von «Absiits» nicht zum Abseilen eingerichtet. Ein Rückzug ohne Materialverlust ist also erst wieder von Standplatz 5 via «Mondpalast» möglich. Dies ist dann auch unsere Vorgehensweise für die Rückkehr zum Wandfuss. Zufrieden verlassen wir die Horefellifluh, winken den Steinböcken zum Abschied und wandern gemütlich durch das Voralptal hinaus zu unserem Gefährt, welches wir in Wiggen vor der noch geschlossenen Barriere abstellen mussten.

Die beiden Routen «Mondpalast» und Absiits» sind mit viel Augenmass saniert worden. Ein Satz Camalots bis Gr. 2 kann und muss immer wieder eingesetzt werden. Im Frühsommer drückt oft noch Schmelzwasser aus den Rissen, wobei «Absiits» deutlich weniger davon tangiert wird. Die beiden Topos findet man im Internet unter gipfelbuch.ch mit dem Stichwort «Horefellifluh Südwand».
Nochmals vielen Dank dem Sanierungsteam und meinem Bruder Kurt für den genussvollen Klettertag.