Saisonrückblick 2014
Der Sommer 2014 – ein unangenehmer Geselle
Rückblick auf die vergangene Strahlersaison
Während ich diese Zeilen zu Papier bringe, zeigt mir das Kalenderblatt den 10. Januar 2015 und das Thermometer misst unglaubliche 16°C. Warme Luft aus Spanien sorgt aktuell - mitten im Winter - für frühlingshafte Bedingungen. In der Tat eine verrückte Wettersituation, und ein krasser Gegensatz zum vergangenen Sommer, der uns wohl noch lange als kalter, nasser und unangenehmer Geselle in Erinnerung bleiben wird. Tatsächlich habe ich selten, nicht einmal im Winter, so viel an meine Finger gefroren, wie im letzten August. Trotzdem möchte ich all diese Erfahrungen nicht missen: Wie oft haben wir das Herumstapfen im Schneegestöber, das Ausharren im Starkregen, den morgendliche Neuschnee im Biwak und die oft stürmischen Winde verflucht und trotzdem wieder herzhaft gelacht, als sich die Sonne blicken liess? Es sind diese Gegensätze, das Wechselbad der Gefühle, die vielen Facetten der Natur, die uns immer wieder aufbrechen lassen.
Der Winter 2013 / 2014 stand ganz im Zeichen von heftigen, wochenlang anhaltenden Südstaulagen. Diese Wetterkonstellation lagerte am südlichen Alpenhauptkamm massive Schneemengen ab und sorgte beispielsweise im Skigebiet Airolo-Pesciüm für perfekte Pistenverhältnisse bis weit in den Frühling hinein. In den weiter nördlich gelegenen Tälern verringerte sich die Schneehöhe teils markant. So lag im Urserental weniger Schnee als im Val Bedretto, im Meiental weniger als in der Göscheneralp und verhältnismässig nur geringe Schneemengen waren im Schächental und Maderanertal zu verzeichnen. Trotzdem mussten die Strahler im Vorsommer sehr viel Geduld aufbringen, bis die Schneeschmelze endlich genügend fortgeschritten war. Unbeständiges und kühles Wetter in den Monaten Juni und Juli liess die weisse Schicht nur sehr spärlich verschwinden. In Gebieten unter 2500 Meter sorgte wenigstens der viele Regen für eine rasche Schneeschmelze. Darüber, in höheren Lagen, blieb es sehr lange winterlich.
Mein persönlicher Start in die Strahlersaison erfolgte am Pfingstsamstag. Dieses warme und praktisch wolkenlose Wochenende war rückblickend eines der schönsten und stabilsten Wetterfenster des vergangenen Sommers. Es lag zwar noch eine geschlossene Schneedecke bis weit ins Tal hinunter. Trotzdem wagten mein Bruder und ich eine erste Erkundungstour in unser angestammtes Strahlergebiet. Allerdings mussten wir dabei in die trockenen und aperen Felswände ausweichen. Ehrlich gesagt war es auch kein „Müssen“, sondern eher ein „Dürfen“! Auf diese Art gelang uns die ideale Kombination von Klettern und Strahlnen! Zwei höchst beglückende Hobbys am selben Tag, unter gleissender Sonne und mit dem perfekten Seilpartner zu geniessen – was will man mehr!
Dank hart gefrorener Schneeschicht konnten wir frühmorgens sehr kraftsparend zu Fuss an den Einstieg gelangen, den wir zeitnah mit den wärmenden Sonnenstrahlen erreichten. Nun folgten dreihundert Meter genussvolle Kletterei zum Gipfel, immer wieder Ausschau haltend nach verdächtigen Anzeichen. Während der folgenden Abseilfahrt konnten wir schliesslich die ganze Wand viel detaillierter absuchen und die auffälligen Sätze und Löcher anpeilen. Erstaunlicherweise waren wir nicht alleine in der Wand. Eine weitere Seilschaft nutzte das schöne Wetter und den genussvollen Granit. Nach unzähligen, vergeblichen Versuchen, fanden wir schliesslich doch noch eine Kluft, die uns ein paar begehrte Rauchquarzspitzen schenkte. So wurde der sonnendurchflutete, bis anhin schon mit vielen Glücksmomente gesegnete Tag vollend zum perfekten Erlebnis – ein wahrhaft geglückter Start in die Strahlersaison 2014.
Anfang August standen dann meine grossen Ferien auf dem Programm. Natürlich zog es mich, wie schon viele Jahre zuvor, in höhere Lagen. Ein erster Besuch in unserem Strahlerbiwak stimmte uns zuversichtlich. Zwar lagen einige Felsnasen noch unter dem Altschnee, die von und bearbeiteten Klüfte aus dem Vorjahr waren aber bereits schon frei. Bei einer näheren Inspektion mussten wir allerdings feststellen, dass die Löcher noch prall gefüllt mit Eis waren. Nun war Geduld gefragt.
In diesen ersten Wochen der eigentlichen Hochgebirgssaison waren Georg und Othmar Walker unsere ständigen Begleiter. Die beiden bergbegeisterten und heimatverliebten Urner drehten die ersten Sequenzen ihres neuesten Filmprojekts – für unser Strahlerteam eine völlig neue und ungewohnte Erfahrung. Oft mussten wir uns vor der Kluft anders hinstellen, damit der Lichteinfall stimmte. Ab und zu erhielten wir auch die Anweisung, den soeben gefundenen Quarzspitz noch einmal im Loch verschwinden zu lassen und erneut herauszuziehen. Mit der Zeit waren wir mit der Situation etwas vertrauter und standen intuitiv richtig, damit die beiden Filmschaffenden uns optimal in Szene setzen konnten. Etwas schwieriger gestalteten sich die Dreharbeiten in der dreihundert Meter hohen Felswand. Hier mussten wir selber Hand anlegen und uns gegenseitig filmen. Wahrlich kein leichtes Unterfangen, nebst all den kniffligen Kletterstellen und den aufwändigen Sicherungsarbeiten Raum und Zeit fürs Filmen zu finden. Zusätzlich zu den handgeführten Filmaufnahmen wurde der Kletteraufstieg mit einer am Helm montierten Kamera bildlich festgehalten. All diese Erlebnisse rund um das Filmprojekt machten die gesamte Strahlersaison zu einer total spannenden Angelegenheit.
Leider zeigte sich auch der August von seiner ziemlich garstigen Seite. Einem kürzen Schönwetterfenster folgte meist wieder ein markanter Temperaturrückgang oder sogar ein kurzer Schneefall. Wir liessen uns trotzdem nicht beirren und stiegen unverdrossen immer wieder hoch ins Biwak, sobald sich das Wetter wieder etwas beruhigt hatte. Oft musste man einfach morgens frech losziehen, obwohl die Scheibenwischer am Auto noch auf Hochtouren liefen. Im Tagesverlauf beruhigte sich meistens das Geschehen und liess noch ein paar sonnige Stunden folgen. Als der September ins Land zog, besserte sich die Lage spürbar. Nun standen die goldenen Herbsttage mit den begehrten Inversionslagen (oben blau und warm, unten grau und kühl) auf dem Programm. Wer jetzt noch Ferien hatte, konnte noch einmal richtig Sonne tanken und die Strahlerleidenschaft in vollen Zügen geniessen. Diese stabile Lage zog sich bis weit in den Oktober hinein. Während wir im August meistens mit Jacke und Wollkappe bewehrt an unseren Klüften arbeiteten, schenkte uns der Oktober oft warme Tage, die ein Verweilen im kurzärmeligen T-Shirt erlaubten - eine absolut verrückte Situation.
In dieser Zeit hörte man auch vom einen oder anderen Neufund, der erfreulicherweise getätigt werden konnte. So durfte ein Strahlerteam eine Kluft gefüllt mit hochglänzenden Morionspitzen bergen, ein anderes Team fand schönen Quarz durchsetzt mit Hämatit. Von Erfolg gekrönt waren auch die intensiven Bestrebungen am Planggenstock. Nach vier extrem mageren Jahren konnten Franz von Arx und Elio Müller eine weitere Klufttasche öffnen. Deren Bearbeitung verschoben sie aber in Anbetracht der bereits fortgeschrittenen Saison in den nun kommenden Sommer. Mit der Gewissheit, an einer vielversprechenden Stelle weiter arbeiten zu dürfen, lässt es sich bestimmt angenehm überwintern. Wird werden hoffentlich in einer der nächsten Mineralienfreund-Ausgaben über diese Neuentdeckung berichten können. Sonst blieben die Kristallfunde wetterbedingt eher bescheiden, waren doch auch deutlich weniger Strahlner unterwegs, als bei einem normalen Sommer. Noch viel härter traf es unsere Strahlerfreunde aus der Montblanc-Region. Da man dort vorwiegend in Höhenlagen ab 3000 Meter gutes Material findet, wurden die dort tätigen Strahler natürlich arg von der Wetterunbill gebeutelt. So kamen nur vereinzelte Funde ans Tageslicht, der grosse Rest blieb unter dem Schnee verborgen.
Hoffen wir, der kommende Sommer zeigt sich mit uns Strahlern etwas gnädiger. Schlussendlich können wir den Wettergang nicht beeinflussen, aber die mentale Einstellung zur jeweiligen Situation können wir sehr wohl in positive Bahnen lenken. In diesem Sinne wünsche ich allen Strahlerinnen und Strahlern viel Optimismus, eine Menge schöne Stunden am Berg und eine glückliche Heimkehr mit guten Funden.