Mettener Butzli
Mettener Butzli
"Butzliläll" 6b, 4 SL und "Chäs und Brot" 6c, 3 SL
Voller Optimismus fuhren Sabine, Richi und ich trotz den morgendlichen Regenschauern ins Schächental. Der Kaffeehalt im Posthaus Urigen, wo wir auch die Bewilligung zum Befahren der Alpstrasse lösten, kam sehr gelegen. So konnten sich die Restwolken langsam verziehen und der "blauen Störung" Platz machen.
Als wir allerdings schon bei der Alp Mettenen wegen der schneebedeckten Strasse die Rucksäcke schultern mussten, zog eine massive Neblbank auf und hüllte uns wie Watte in das diffuse Weiss. In direkter Linie stiegen wir durch die schneefreie, aber steile "Grasplangge" zum Mettener Butzli hoch.
Rund um die Alphütten lag teils noch meterhoher Schnee. Weiter oben in den Hängen, besonders aber am Einstieg hatte die Sonne bereits genügend wirken können und für apere Verhältnisse gesorgt. So konnten wir uns gemütlich einrichten und im Trockenen die 5.10-Kletterfinken schnüren, die dank einem Vollwaschgang nicht mehr so penetrant stanken, wie auch schon...
Da Sabine gerade von einem erfolgreichen Aufenthalt im italienischen Klettermekka Finale zurück gekehrt war, übergaben wir zwei Männer ihr sehr gerne die beiden Seilstränge, damit sie uns sicher und elegant durch die überhängende Mauer führen konnte.
Als erstes wählten wir die Route "Butzliläll". Mit einer raffinierten Routenführung gelang es den damaligen Erstbegehern, eine freie und mit 6b nicht allzu schwere Linie durch die überhängende Wand zu finden. Der geniale Tropflochfels sorgt dabei immer wieder für ausgesprochen schöne Kletterzüge.
Für mich eher ungewohnt war dagegen die Kletterei im Nachstieg und das stets vor der Nase präsente Seil von Richi, der mir ebenfalls im Nachstieg mehr oder weniger dicht auf den Fersen folgte. Sabine genoss sichtlich ihre Leaderposition und zeigte sich ebenfalls begeistert von den schönen Passagen. Mittlerweilen hatte sich auch die Sonne hervorgewagt und wärmte uns mit ihren angenehmen Strahlen. So sollte es doch immer sein!
Nach vier Seillängen erreichten wir das Top und genossen den freien Blick ins Schächental. Schon bald aber schickten wir unseren Abseil-Spezialisten Richi als ersten in den Abgrund. Nach kurzer Zeit lockerte sich das Doppelseil und ein kräftiges Ziehen an einem Strang signalisierte sein Ankommen am unteren Standplatz. Sabine und ich gelangten ebenfalls mehr oder weniger freischwebend zu Richi hinunter. Dieser nahm nach erfolgreichem Seilabziehen die zweit Abseil-Sequenz in Angriff.
Den ersten paar senkrechten Metern folgte schon bald ein grosser Überhang und Richi entschwand unseren Blicken. Geduldig warteten Sabine und ich auf das erneute Lockerlassen der beiden Seile. Sie blieben aber knallhart gespannt! Immer wieder zogen wir prüfend an den Seilen und machten uns langsam Sorgen um Richi, der auf unsere Rufe keine mehr Antwort gab. War er womöglich bewusstlos geworden und hing nun hilflos in seiner Prusikschlinge? Wurde er vielleicht von einem Stein getroffen? Unsere Gedanken überschlugen sich...
Nach weiteren endlosen Minuten entschloss ich mich zum Handeln. Da ich mein Abseilgerät unmöglich in die straff gespannten Seile hängen konnte, knüpfte ich eine Prusikschlinge um die Seile und hangelte mich nur mit den Händen am Seil über diese senkrechte Wandstelle hinunter. Ich wusste, dass der Prusikknoten am gestreckten Seil wohl kaum blockieren würde, aber einfach am Stand warten und hilflos herumhängen, schien mir auch nicht die Lösung. Glücklicherweise steckte an der Abbruckkante zum überhängenden Wandteil ein Bohrhaken, an dem ich mich fixieren konnte.
Erleichtert sah ich nun, wie Richi am Ende des Seil herumturnte. Er hing weit draussen von der Wand weg und befand sich knapp zwei Meter über dem schrägen Geröllhang. Fieberhaft versuchte er mit Pendelbewegungen bergwärts Fuss zu fassen, was ihm schliesslich erst gelang, als ich kräftig mithalf und mit Ziehen und Drücken das mehr als vierzig Meter freihängende Seil in eine Vor- und Rückwärtsbewegung brachte. Endlich stand Richi sicher am Boden und entlastete das Seil.
Sabine und ich benutzten nun wohlweislich einen Zwischenstand und kamen mit genügend Seilreserve und sichtlich entspannter als unser Vorgänger zu Boden.
Nach dieser unfreiwilligen Showeinlage stärkten wir uns zuerst ein wenig mit Essen und Trinken, bevor Sabine und ich erneut in die Wand einstiegen.
Schon lange wollte ich mal den verlockend glänzenden Haken folgen, die links vom "Z'Schlänggä Unghyr" in das grosse Dach hinausführen. Der Lokalmatador Alex Arnold hatte vor zwei Jahren mal was von einem Projekt gesprochen. Ohne weitere Kenntnisse stiegen wir ein und folgten den Bohrhaken. Nach zwei Seillängen (5c und 6c) hingen wir erst knapp 30 Meter über dem Boden. Bis dahin bestand die Kletterei vorwiegend aus einer ausgesetzten Querung unter einem riesigen Überhang.
Nun folgte ein extrem scharfer Wandteil (6b), dessen korallenartiger Fels aggressiv an der Fingerhaut nagte. Die soliden Haken steckten optimal und wiesen den Weg zu einem weiteren Standplatz. Hier aber war weit und breit kein Silberling mehr zu entdecken. Ein wenig betrübt seilten wir uns ab. Sehr gerne wären wir weiter geklettert, aber scheinbar ist das Projekt immmer noch in Arbeit...
Nachtrag: Gemäss Auskunft von Alex Arnold, Bergführer und Haupterschliesser am Mettener Butzli, handelt es sich um die Route "Chäs und Brot", die er seinerzeit mit Frigg Zimmermann eröffnet hat. Es war eine der letzten Erstbegehungen von Frigg, bevor er viel zu früh aus dem Leben gerissen wurde. Alex Arnold will die Route demnächst fertig sanieren. Bis jetzt sind 3 Seillängen saniert, weiter oben warten nochmals drei Seillängen in bestem Fels! Man darf gespannt auf das Endprodukt sein!
Genüsslich verbrachten wir noch etwas Zeit am Einstieg. Natürlich wurde in dieser Pause auch eine krumme Brissago "vernichtet und in Rauch aufgelöst"! Vielen Dank, Sabine und Richi. Es war ein geschenkter Tag mit sehr vielen und spannenden Eindrücken!