Monte Garzo "Serenissima"
Monte Garzo "La Serenissima". 6c, 16 SL
Nach dem langen und zähen Winter und den zunehmend öder werdenden Stunden an den Plastikgriffen lockte wieder einmal der warme Tessiner-Gneis. Als erste Knacknuss erwies sich allerdings der Transfer vom heimatlichen Urnerland ins sonnige Valle Maggia. Ein beachtlicher Teil unserer geliebten Nachbarn mit den grossen Buchstaben auf der Autonummer wollten ebenfalls der nördlichen Tristesse entfliehen. Entsprechend massiv war das Verkehrsaufkommen vor dem Gotthardtunnel.
Da wir aber rechtzeitig unterwegs waren, entpuppte sich die Anfahrt weniger stressvoll als befürchtet. Der obligate Cappuccino-Halt in Bellinzona war auf jeden Fall nicht gefährdet. Hier, in der gemütlichen Mövenpick-Raststätte, trifft man immer wieder mehr oder weniger bekannte Klettererbegeisterte, die ebenfalls nach berrauschenden Gneis-Strukturen lechzen.
Unser ins Auge gefasste Ziel im Valle Onsernone liessen wir nach einigen Diskussionen fallen und pilgerten stattdessen an den Fuss des Monte Garzo. Die „La Serenissima“ mit ihren 15 Seillängen und der optimalen Absicherung schien uns als Saisonstart eine ganz passable Alternative zu sein. Damit wir noch ein paar zusätzliche Klettermeter geniessen konnten, stiegen wir über die ersten drei Längen der „Alhambra“ aufs grosse Band hoch und querten, immer wieder leicht links haltend, die Plattenfluchten des Sektors „Pinocchio“.
Da bereits andere Seilschaften in den zahlreichen, frisch sanierten Routen unterwegs waren, legten wir tempomässig einen Zahn zu und gelangten so in die angenehme Pole-Position für den Einstieg in die Headwall. Die Befürchtungen erwiesen sich aber als unnötig. Nach uns folgte nur eine weitere Seilschaft in die sechs restlichen, steilen Seillängen der Schlusswand, und dies erst noch in grossem Abstand. So konnten wir zu dritt gemütlich den interessanten Felsformationen folgen und ab und zu auch herzhaft über einen Spass lachen.
Die imposante Piazschuppe zu Beginn der Steilwand ist immer wieder lohnend zu klettern. Allerdings macht mir die zurückgebundene, grosse Felsnase jedes Mal mehr Respekt. Kein Wunder, sind die angebrachten Fesseln aus Seilresten doch schon arg zerzaust. Wehe, wenn jemand diesen Block zu Tale reiten sollte: wahrlich kein angenehmer Gedanke!
Weiter oben wird man mit erstklassigem Fels verwöhnt. Der herrliche Tanz entlang zahlreicher Quarzbänder und Gneisleisten, über Platten, Aufschwünge und Dächer brachte uns schliesslich an den Fuss der letzten Länge. Hier ist noch einmal der Bizeps gefordert, hängt doch dieses Wandstück leicht über. Die teils schräg gestellten und nicht immer einfach zu findenden Griffe forderten langsam ihren Tribut. Dann war es aber geschafft und wir gratulierten uns fröhlich zum gelungenen Saisonauftakt.
Zusammen sind wir drei Kletterer genau 150 Jahre alt. Auf diese Erkenntnis stiessen wir nach erfolgreicher Abseilfahrt gemütlich mit einem Bierchen an und liessen den Frühlingstag äussert angenehm ausklingen. Besten Dank an die zwei „Schlachtrösser“ Beat und Kurt. Mit Euch beiden macht es wirklich Spass!