Horefellifluh "Knecht Klemenz"
Erstbegehung
Horefellifluh "Knecht Klemenz", 6 SL
In der markanten und eindrucksvollen Fluh oberhalb der Alp Horefelli wurde vor 42 Jahren mit "Eskaminzin" die erste Route durch diese Wand eröffnet. Sie überwindet das eindückliche Dreiecks-Dach und war für die damalige Zeit eine echte Meisterleistung. Später folgten mit "Mastermind", "Balüm Balüm", "Absiits" und "Mondpalast" vier weitere Routen, die zwar klettertechnisch nicht allzu schwer waren aber punkto Absicherung doch eine gesunde Moral verlangten. Erfahrung im Umgang mit mobilen Sicherungsmitteln war bei allen Routen prioritär.
Als Hüttenwart der Voralphütte (2005 - 2010) war ich oft über die vielen Steine der Horefelli gestolpert, weil meine Augen statt auf den Weg gerichtet, in diesen faszinierenden Wänden umherirrten. Nach der Hüttenwartszeit fand ich endlich genügend Freiraum und konnte an der kleinen Horefellifluh mit verschiedenen Freunden vier neue Routen einrichten. Eine potentielle Linie in der Hauptwand blieb aber stets Wunschdenken. Sie verläuft links der "Mastermind", deren Sanierung durch ein initiatives Urner Kletterpaar aktuell im Gange ist. Irrtümlicherweise hatte ich diesen Frühling angenommen, die Route sei fertig saniert und war mit Stine an deren Einstieg gewandert. In der fünften Seillänge merkten wir aber, dass die Sanierung noch nicht ganz abgeschlossen ist. Den Bericht unserer Teilbegehung findest du hier.
Silvia Kempf und André Arnold, das fleissige Sanierungsteam, haben inzwischen die Sanierung erfolgreich abgeschlossen. An dieser Stelle nochmals besten Dank für die geleistete Arbeit! Das Topo der Mastermind kann hier herunter geladen werden: Topo Mastermind [513 KB]
Unsere Teil-Begehung von "Mastermind" erlaubte mir, einen detaillierten Blick in die benachbarten Felsen zu werfen. Das sah eigentlich sehr vielversprechend aus... Fast fieberhaft musste ich nun das nächste regenfreie Wetterfenster abwarten - in diesem labilen Juni kein einfaches Unterfangen. Am 23. Juni war dann endlich ein niederschlagsfreier Tag angekündigt, leider waren an diesem Mittwoch sämtliche Kletterpartnerinnen und -partner unabkömmlich. So buckelte ich das ganze Material alleine zum Einstieg hoch und bohrte die ersten zwei Längen im gesicherten Soloaufstieg ein. Die Felsqualität war ausgezeichnet, die angetroffenen Schwierigkeiten geringer als befürchtet und der Weiterweg sah ebenfalls gut machbar aus. Wenige Tage später begleitete mich mein Bruder ins Voralptal. Wir starteten früh, da am Nachmittag bereits wieder Gewitter prognostiziert waren. Rasch war der zweite Standplatz erreicht. Ab hier wartete jungfräulicher Fels auf uns.
Die Horefellifluh liegt unmittelbar an der Grenze zwischen dem Zentralen Aare-Granit und der Gneis- und Schieferhülle der Aare-Granite. Genau dazwischen liegt das schmale Band aus Voralpgranit, der spürbar stärker strukturiert ist und den Charakter der Horefellifluh prägt. Diese sehr kletterfreundlichen Käntchen, Mulden, Dellen und Schuppen erlaubten uns ein rasches Vorwärtskommen. Wobei der Begriff rasch bei Erstbegehungen doch sehr relativ ist. Gut eine Stunde pro Seillänge mussten wir investieren, bis alle Bohrhaken und auch der Standplatz gesetzt waren und der Nachsteiger mit seinem schweren Gepäck wieder aufgeschlossen hatte. Die Suche nach dem optimalen Weiterweg beanspruchte ebenfalls Zeit und gutes Gespür.
In der sechsten Seillänge überlegten wir lange, wo es nun weitergehen sollte mit unserem Projekt. Links bot sich eine schuppige, brüchig aussehende Verschneidung an, die aber im Gemüse endete. Ein waagrechter Quergung in die grosse, unangenehm zu kletternde Verschneidung zur Rechten war ebenfalls keine Option. So kämpfte ich mich diagonal über eine ganz fein strukturierte Platte hoch. Für ein Bohren aus der Kletterstellung reichten die feinen Unebenheiten leider nicht mehr aus. Zähneknirschend musste ich daher ein paar Haken aus der Trittschlinge anbringen und auf direktem Weg das obere Ende der Platte ansteuern. Ob diese Stelle frei zu klettern ist, wird sich dann zeigen, wenn wir unsere neue Route unbeschwert vom ganzen Erstbegehungskrempel angehen werden. Damit ist auch erwähnt, dass die Linie noch im Projektstatus ist und wir deshalb auch keinen Bewertungsvorschlag abgeben können.
Am Ende dieser Länge standen wir unter der abschliessenden Headwall, die noch steiler und glatter in den Himmel schoss. Weiter oben flösste eine vermutlich instabile Schuppe Respekt ein. So beschlossen wir, dass dieser Punkt das Ende der Route ist. Da die Horefellifluh in diesem Bereich stark gegliedert ist und durch eine tiefe Schlucht von der Hauptwand getrennt ist, kann man den in Grasflanken liegenden "Gipfel" eh nicht in vernünftiger Weise erreichen. Wir seilten ab und putzten die gröbsten Gras- und Wachholderpolster aus den Rissen. Eine Feinreinigung neuralgischer Zonen mit der Drahtbürsten werden wir anlässlich der erhofften Rotpunkbegehung nachholen. Ich werde an dieser Stelle euch wieder informieren, wenn die Arbeiten abgeschlossen sind und die Route für Wiederholungen freigegeben ist. Besten Dank für die respektvolle Zurückhaltung. Ein herzliches Dankeschön an meinen Bruder und "Sherpa" Kurt für die erlebnisreichen Stunden im Fels. Es war wieder wie in alten Zeiten... Die Route ist Klemenz Zgraggen gewidmet, der viele Jahre im Voralptal als Knecht tätig war. Sein älterer Bruder Hans Zgraggen war zudem viele Jahre unser treuer Begleiter bei zahlreichen Erstbegehungen, unter anderem auch in der "Another day in paradies" an der Badile NE-Wand.