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Brückenpfeiler

Chärstelenbach-Viadukt
Die Gotthardbahn-Gesellschaft errichtete die Chärstelenbachbrücke 1880 bis 1882 als einspurige Brücke. Sie besteht aus zwei Feldern mit einem hohen gemauerten Mittelpfeiler. Das nördliche Widerlager ist als Vorbrücke aus Mauerwerk mit zwei Bogenöffnungen ausgeführt, das südliche unter dem Bristen hat nur einen Bogen. Auf den zwei Brückenöffnungen lagen 6 Meter hohe Fachwerkträger, denen beidseitig auf Konsolen Laufstege mit Geländern für die Streckenwärter folgten. Die Linie Erstfeld–Göschenen wurde am 1. Juni 1882 eröffnet.

Beim Bau der Doppelspur der Gotthardbahn liess die Gotthardbahn-Gesellschaft 1893 die Widerlager und den Mittelpfeiler verbreitern und die Brücke mit einem zweiten Paar Fachwerkträger ausstatten. Die talseitigen Träger wurden wegen höherer Belastung im Jahr 1906 mit Untergurten verstärkt. Die zweite Brücke erhielt bei der Elektrifizierung der Gotthardlinie von 1920 bis 1922 durch die SBB wegen des weiter zunehmenden Gewichtes der Züge ebenfalls eine Verstärkung, mit der die Fachwerkbrücken zu Fischbauchträgern erweitert wurden.

Die vier Fachwerkträger wurden 1970 bis 1972 durch eingleisige Brückenelemente von je 50 Metern Spannweite ersetzt. Die Vorbrücken und der Mittelpfeiler blieben bestehen und tragen heute die Vollwandträger aus Stahl, auf denen die Stahlbeton-Fahrbahnplatten aus armiertem Beton liegen.

Bereits um 1990 erhielt der markante, 40 Meter hohe Mittelpfeiler eine mit Ringbohrhaken ausgestattete Kletterroute. Im 1992 erschienenen Kletterführer «Granit News / Klettergärten Uri» nahm ich diese Route auf und zeichnete mit einem rudimentären PC-Programm eine erste Routenskizze. In der Folge erhielt ich vom damaligen Bahnmeister des SBB-Bahnhofs in Erstfeld eine geharnischte Rückmeldung. Mit der Androhung strafrechtlicher Schritte wurde ich gezwungen, diese Route zu eliminieren, was ich völlig eingeschüchtert auch tat. In einer Abseilaktion schlug ich alle Ringbohrhaken ab und machte mich aus dem Staub. Heute, mit etwas mehr Lebenserfahrung; würde ich diese Sache wohl deutlich entspannter betrachten.

Vor ein paar Jahren entdeckte ich nun durch Zufall neue, glänzende Bohrhaken in dieser Linie und konnte auf der Rückseite sogar eine zweite Route ausmachen. An einem regnerischen Abend, was in diesem Frühling fast einem Ding der Unmöglichkeit gleichkam, kletterte ich mit Stine diese zwei Routen. Die neue Linie auf der Bachseite ist griffiger und verläuft am alten Brückenpfeiler, der mit gröberen Granitquadern gemauert ist. Die bestehende, demontierte und nun wieder ausgerüstete Route auf der Strassenseite führt über den neueren Pfeilerteil und ist klettertechnisch anspruchsvoller.

Erstaunlicherweise bitten nicht nur die Fugen Griffmöglichkeiten. Viele scharfe Leisten finden sich auf den Granitsteinen selber und bieten so eine erstaunliche Klettervielfalt. Wie ich aber feststellen musste, ist das alte Topo in meinem Kletterführer nach heutigem Standard massiv unterbewertet…

Ob der Urin-Geruch im oberen Pfeilerteil, den Stine mit ihrer feinen Nase wahrnahm, von den fahrenden Zügen mit ihren alten Plumps-Schüsseln stammt, konnte wissenschaftlich noch nicht abschliessend belegt werden. Meinerseits roch ich nur den Schnupftabak, den ich regelmässig in die Nasenlöcher hochzog. Wegen der vorhandenen, unangenehmen Restfeuchte in den Fugen gestaltete sich die Kletterei anspruchsvoll, besonders auf der Bachseite, wo die Hakenabstände etwas sportlicher sind. Ein mindestens 80 Meter langes Seil ist zwingend nötig!