Handegg "Bresil"
Handegg / Sektor Bügeleisen
"Bresil" 6b, 5 SL
Nach der erfolgreichen Erstbegehung der Route "an early morning walk" hatten wir noch eine wetterbedingte Zeitreserve und wollten diese natürlich kletternd nutzen. So stiegen wir kurzerhand in die benachbarte Route "Bresil" ein, die rechts vom "Bügeleisen" hochzieht. Die erste Länge verläuft zuerst gemeinsam mit "Bügeleisen", zweigt rechts ab und führt weiter über eine Platte zu einem ersten Steilaufschwung. Dieser war gar nicht mal so einfach zu überwinden, was wohl der abrupten Umstellung von geneigter Plattenkletterei in die Senkrechte geschuldet ist. Darüber kommt wieder ein flächeres Teilstück bis zum Stand.
Auch die zweite Länge beginnt steil und führt entlang einem breiten Riss leicht rechtshaltend hoch. Hier durften wir bereits die kuriosen, selbstgebastelten Bohrhaken der Gebrüder Remy bewundern. Es schien, dass sie einen Restposten Altmetall günstig erworben hatten und daraus Bohrhakenlaschen bastelten. Insgesamt stecken sicher 6 verschiedene Laschenmodelle in der ganzen Route. Viele sind mit "fuchsroten" M8-Schrauben fixiert, plötzlich aber findet sich wieder ein neuer Inox-Bolt der Dimension M12. Falls das der Versuch einer Sanierung sein sollte, kann man nur den Kopf schütteln...
Die Absicherung ist bezogen auf die Abstände nicht speziell sportlich, aber in Anbetracht des zweifelhaften Materials sollte man auf Stürze vielleicht verzichten. Die dritte Länge bietet erneut herrlich strukturierte Plattenkletterei und verlangt etwas Spürsinn für den gangbarsten Weg.
In der vierten Länge steigt der Puls beim Runout über die Schlüsselstelle. Es gilt, eine ziemlich glatte Platte fünf Meter über dem letzten Rostbolt zu entschlüsseln. Auch hier muss man den einfachsten Weg finden und die wenigen Mikrostrukturen optimal nutzen. Direkt danach sind die Griffe wieder offensichtlicher und werden in Form eines steilen Risses dargeboten. Dieser Steilaufschwung ist etwas knifflig zu meistern, da für die Füsse nur wenig Halt zu finden ist. Danach folgt lohnende Kletterei an gutmütigeren Strukturen bis zum Stand.
Auch die letzte Länge fordert nochmals das Gespür für Plattenkletterei. Der direkte Weg über die Bohrhaken, die hier wieder etwas enger stecken, ist nicht unbedingt zielführend. Ein unerwartetes Loch, in dem wohl auch ein Camalot versenkt werden könnte, erlaubt eine Verschnaufpause. Auf den letzten Metern zum Stand hin wird es dann wieder etwas einfacher. Langsam hatte sich der Himmel mit dunkleren Wolken überzogen und der Wind frischte markant auf. Glücklicherweise hatten wir nur eine Stunde für die Route gebraucht und standen dank effizienter Abseilerei über unsere Erstbegehung eine weitere Viertelstunde später bereits wieder am Wandfuss.
Rasch schmissen wir den Plunder in den Rucksack und erreichten mit den ersten Regentropfen unseren fahrbaren Untersatz an der Passstrasse unten. Ein perfekter Abschluss! Wir freuten uns wie kleine Kinder und umarmten uns brüderlich. Vielen Dank, Bruderherz, für diesen genialen Klettertag, der frühmorgens mit einer Erstbegehung begann und mit der schnellen Begehung der "Bresil" einen krönenden Abschluss fand.
Die Route "Bresil" ist sehr lohnend und abwechslungsreich. Mit einer professionellen Sanierung könnte diese Linie wieder zu einem begehrten Ziel werden. Wie gesagt, die Hakenabstände sind nicht das Problem, aber die arg korrodierten M8-Schrauben schrecken wahrscheinlich viele Wiederholer ab, was anhand der zahlreichen zurückgelassenen "Maillots" erkenntlich ist.