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Gamperstock

Gamperstock
«Südwand» 6a, 7 SL
«Sunnwändig» 5c, 7 SL
Von Altmeister Toni Fullin, der mit verschiedenen Kletterpartnern sehr aktiv im Schächental unterwegs war - und immer noch ist - erhielt ich in verdankenswerter Weise das Topo der Route «Sunnwändig». Die etwas alpin angehauchte Route führt durch die Südwand des Gamperstocks und wurde im November 2020 neu erschlossen. Flankiert wird diese Route rechterhand von «Alte Fasnacht» (Toni Fullin / Wisi Herger, 1979). Links von «Sunnwändig» fanden bereits 1978 Hans Kempf, Wisi Herger und Alex Arnold einen gangbaren Weg durch die steile Fluh und nannten ihre Kreation schlicht und einfach «Südwand». Von diesem Trio lebt heute nur noch Alex Arnold, der 2005 zusammen mit Lucia Schuler diese Route vorbildlich sanierte. Im Jahr 2016 wurde auch «Alte Fasnacht» von Toni Fullin und Dani Gamma umgehend saniert. Somit stehen am Gamperstock drei bestens eingerichtete Linien in einem moderaten Schwierigkeitsbereich zur Auswahl.

In der zweiten Maihälfte, die uns sehr labiles Wetter mit Tagesgang-Wetter bescherte, rückte ein Ausflug zum Gamperstock plötzlich in den Fokus möglicher Kletterziele. Stine war rasch überzeugt und chauffierte uns zwei mit ihrem VW-Bus bis kurz vor Rietlig P. 1657 hoch. Man beachte, dass die in Urigen gelöste Tagesbewilligung (Fr. 10.-) nur für den asphaltierten Strassenabschnitt zählt. Wer noch weiter bis zu den Hütten unter der Sidenplangg P. 1834 hochfahren will, muss ein zusätzliches Permit bei der Gemeindeverwaltung Spiringen lösen. Der Wetterbericht hatte ein trockenes Fenster bis in den frühen Nachmittag prognostiziert. Das sollte zumindest für eine Route reichen! So stiegen wir voller Optimismus durch den Wald hoch und wurden bereits nach fünf Minuten kräftig geduscht. Unter einer Tanne fanden wir rasch etwas Schutz und harrten der Dinge, die noch kommen sollten.

Am Gamperstock oben zeigte sich derweil ein höchst ungemütliches Bild: Die Regenfront hinterliess ihre deutlichen Spuren und verfärbte die Kalkfelsen innert Minuten in eine tiefschwarze Düsternis. Umdrehen oder warten? Nach Konsultation des Regenradars sollten diese Schauer zwar zügig weiterziehen. Ob die Felsen aber genügend rasch abtrocknen konnten, war die entscheidende Gretchenfrage. Eine knappe Stunde später konnten wir diese mit einem «Ja» beantworten. Hinter uns lag der steile Anstieg über die Sidenplangg, die wir entlang deutlicher Wegspuren zum Grätli hoch traversierten. Unmittelbar unter den ersten Wandstufen verlässt man diesen schmalen Pfad, quert westwärts eine Mulde und gelangt so zu den beschrifteten Einstiegen der drei Routen.

Inzwischen überspannte ein blaues Gewölbe das Urner Reusstal und die ersten Sonnenstrahlen kämpften sich durch das umherwabernde Gewölk am Grat oben. Wir wollten nun keine Zeit verlieren und schlüpften am Einstieg der «Südwand» rasch in Gurtzeug und Finken. Die ersten zwei Längen empfanden wir als etwas «krautig». Ab und zu war ein Griff ins Gras unumgänglich, dafür war die Absicherung aber tadellos. In der 3. Länge sah die Sache schon deutlich lohnender aus. Ein schön strukturierter Felspfeiler brachte Stine an den Fuss einer steileren Passage, die sich als erstaunlich griffig entpuppte.

Meine Aufgabe war es nun, den Weg durch den nächsten Steilaufschwung zu finden. Hier machte die Angelegenheit nun definitiv Spass. Immer wieder blickten wir gegen Südwesten und vergewisserten uns, ob die «Luft noch rein war». Gespannt waren wir auf die letzte Seillänge, die gemäss unseren Informationen mit V+, A0 bewertet war. Sollte diese Stelle frei zu klettern sein? Vor Ort entpuppte sich diese eng gebohrte Plattenstelle aber als harmlos und liess sich mit einem Aufsteher im Bereich 6a aber gut überlisten. Wir freuten uns, dass wir trotz dem harzigen Start doch noch eine Route am Gamperstock zu Ende klettern durften und seilten rasch über die Wand ab. Mit 50 m langen Zwillingsseilen könnte man theoretisch immer einen Stand überspringen. Je nach Gelände lohnt es sich aber, bereits nach 25 Metern wieder neu einzufädeln.

Die «Südwand» bietet 7 Seillängen alpin angehauchte Kletterei (4b, 4b, 4c, 5c, 5c, 5c, 6a) und wird gegen oben hin immer lohnender. Die Seillängen sind kurz (max. 25 m) und sind sehr gut saniert worden. Wer den markierten Einstieg findet, wird mit der Routenfindung absolut keine Probleme haben. Besten Dank an Alex Arnold und Lucia Schuler für die perfekt gelungene Sanierung. Stine und ich dachten wohl beide das Gleiche, als wir wieder wohlbehalten am Wandfuss unten standen. Ein kurzer Blick in die Wetter-App und schon marschierten wir von unserem «Zninistei» rüber zum Einstieg von «Sunnwändig». Zumindest ein paar Längen wollten wir uns gönnen, bevor der zunehmend grauere Himmel zum Rückzug mahnte. Auch hier sind die beiden ersten Längen etwas durchzogen, wurden aber vom Erstbegeher mit viel Fleiss geputzt. Sobald die Wand sich etwas aufstellt, wird die Kletterei deutlich lohnender. Ab und zu entdeckten wir neben den neuen Bohrhaken noch alte Relikte früherer Versuche. In den älteren Führerausgabe findet sich dazu aber nichts Konkretes. Dort werden nur die «Südwand» und die «Alte Fasnacht» erwähnt.

Mit der gebührenden Eile erreichten wir doch noch den Ausstieg der «Sunnwändig». Wir seilten über die «Südwand» ab, packten rasch unser «Burdäli» zusammen und hetzten über den Pfad zurück zum Auto. Über dem Urner Talgrund stand nun anstelle des blauen Himmels eine fette Regenzelle, die uns wenige Meter vor dem schützenden VW-Bus doch noch mit kräftigen Schauern erwischte. Als wir in Urigen auf den Parkplatz einbogen, war der Spuk aber schlagartig vorbei! Wie auf Kommando stoppte das intensive Prasseln auf das Fahrzeugdach und erlaubte uns einen trockenen Wechsel ins Restaurant, wo bereits feine Nussgipfel und Weizenbier auf uns warteten.

Die Route «Sunnwändig» ähnelt im Charakter der «Südwand», wobei uns Letztere eine Spur besser gefallen hat. Die 7 Seillängen (4a, 3a, 5a+, 5a+, 4a, 5a, 5c) sind ebenfalls sehr gut ausgerüstet und nie länger als 25 Meter. Ebenfalls einen guten Eindruck hinterliess die «Alte Fasnacht», die wir leider wetterbedingt nicht mehr anhängen konnten. Der beschriftete Einstieg ist problemlos zu finden und die neuen Bohrhaken stecken in beruhigenden Abständen. Der obere Teil sieht sehr ansprechend aus und verläuft in stotzigem Fels. Besten Dank an das fleissige Sanierungsteam Toni Fullin und Dani Gamma. Vielen Dank natürlich auch an Stine, die an diesem Tag nie den Mut verloren und meinen Optimismus stets geteilt hat. Unser Plan hat wieder mal perfekt funktioniert!

Auf dem Wandbild unten erkennt man die drei Route in der Südwand des Gamperstocks:
hellgrün = "Südwand" 6a
rot = "Sunnwändig" 5c
hellblau = "Alte Fasnacht" 5c