Lutersee
Klettergarten Lutersee 5a - 7a+
Der sanft in eine Geländemulde eingebettete Lutersee ist ein beliebtes Revier für Petrijünger, die hier eifrig ihre Würmer auf Tauchgang schicken und Fische anlocken. Die einmalige Lage am Fuss des Gross Schijen, das kristallklare Wasser und die flachen Uferzonen locken auch vermehrt das wandernde Volk an. Dank den beiden neu erstellten Gondelbahnen zum Gütsch, respektive Schneehüenderstock wurde nun die Region auch für weniger sportliche Menschen zugänglich. In dieser lieblichen Gegend frönt man aber auch seit Jahrzenten schon dem Klettersport. Die alte Südkante am Gross Schijen wurde bereits 1949 von Hans Rein und Leni Merk erstbegangen. Wie damals Usanz, folgte man den sich bietenden Schwachstellen und scheute sich nicht vor vereinzelten Graspassagen.
Im Jahr 1995 wurde diese Gratschneide durch eine direktere Linienwahl massiv aufgewertet und erfreut sich heute grosser Beliebtheit. Als persönliches Erlebnis ist mir eine Winterbegehung der klassischen Kante gedanklich sehr präsent. An einem bitterkalten Januartag im 1982 wühlten wir uns durch vereiste Risse und massive Pulverschneeablagerungen diese Kante hoch. Es war mental ein harter Kampf für meinen Bruder und mich, waren wir doch mit 16 und 19 Jahren beide noch im zarten Teenyalter. Am Vorabend dieser verrückten Tour kassierte ich zudem von meiner damaligen Freundin den damals schmerzvollen, unwiderruflichen Laufpass, was der Moral nicht unbedingt zuträglich war. Mit einer an Fatalismus grenzenden Sorglosigkeit kämpften wir uns über die heiklen Kletterstellen hoch. Am Abend, nach dem erfolgreichen Durchstieg und der anschliessenden, genussvollen Skiabfahrt bis Andermatt, sah die Welt wieder deutlich rosiger aus...
Knapp vierzig Jahre später könnten die Gegensätze nicht markanter sein. Statt Puverschnee und Eisplatten spüren wir heute warmen, perfekt strukturierten Fels unter den Fingern. Das beklemmende Gefühl und die giftige Januarkälte sind freudiger Erwartung und milder Herbstsonne gewichen. Aufgestiegen sind wir in einer knappen Stunde direkt vom Westende des Oberalpsees. Nun klettern wir direkt über dem blau schimmernden Lutersee und geniessen die faszinierende Stimmung. Die bereits schon verschneiten Berge ringsherum geben der Szenerie den würdigen Rahmen. So macht Klettern eindeutig mehr Spass. Der Klettergarten Lutersee sieht aus Distanz verdammt glatt und unnahbar aus. Steht man aber unmittelbar am Wandfuss, erkennt man faszinierende Felsstrukturen.
Unsere Aktivitäten starten wir zu Beginn im linken Wandteil. Hier ist die Wandhöhe geringer und der Fels etwas geneigter - ein ideales Aufwärmgelände. Die leichten Routen bis 5c gehen gut von der Hand und vermitteln uns einen ersten Eindruck von der Schönheit der Kletterei. Etwas gedämpft wird unser Enthusiasmus, als wir einen mit 6b bewerteten Überhang erst im dritten Anlauf knacken können. Die sehr gut getarnten Griffe sind nicht auf Anhieb erkennbar und das Clippen der Bohrhaken gestaltet sich dabei als wacklige Angelegenheit. Später bemerken wir unseren Irrtum: Wir konnten die im SAC-Topo als Route 44 gelistete Route, die dort als "NR" bewertet wird, befreien und schätzen sie auf 6c+/7a ein.
Langsam verlagern wir uns nach rechts, wo die Routen länger, aber auch steiler werden. Dank den unglaublichen Strukturen lassen sich aber die scheinbar glatten Wände relativ human bezwingen. Ordentlich zur Sache geht es erstmals in der Route 51a "Look ma, no hands" (7a+), die auf Anhieb gelingt. Kleinste Quarzwürfel und bizarre Felseinbuchtungen helfen über die unmöglich scheinende Wandstelle - eine absolut geniale Kletterlinie. Gleich rechts davon kann in "Happy feet" (6c) die Fusstechnik ausgiebig trainiert werden. Eher kleingewachsene Aspiranten werden wohl hier vor zusätzliche Probleme gestellt.
Keine Chance haben wir in der Route 53 (6c+). Die herrlich ziselierte Platte im ersten Teil lässt sich relativ gut meistern, dann aber folgt nach einem Rechtsquergang eine total stumpfe Verschneidung, die für uns absolut unlösbar scheint. Da die drei Bohrhaken der Schlüsselstelle relativ eng stecken, erreichen wir mit etwas Improvisation dennoch den Umlenker. Gleich rechts davon bietet glücklicherweise Route 54 (5c+) etwas Erholung. Die mit grossen, braungelben Warzen gespickte Kante zählt sicher zu den besten Routen, die ich je geklettert bin. Unglaubich, was die Natur für uns Kletterer hier geschaffen hat.
Nach ein paar weiteren, sehr genussvollen Linien meldet sich langsam der Durst. So steigen wir voller Zufriedenheit gemütlich zur Oberalpstrasse ab und gönnen uns ein feines Bier direkt auf der Passhöhe.
Der Klettergarten Lutersee bietet mehr als 40 Routen im Bereich 5a bis 7a, die meisten Linien liegen so um 6a / 6b herum. Das kleine Felsmassiv liegt direkt an der Grenze zum Südlichen-Aare-Granit und verdankt diesem Umstand wohl die einmalige Strukturierung. Eine Topo findet sich frei zugänglich auf dem SAC-Tourenportal. Den Link dazu gibt es hier: Topo Lutersee
Vielen Dank an meinen Bruder Kurt für den genussvollen Klettertag in bestem Fels!