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Schöllenen "Rosäober"

Erstbegehung
Schöllenen «Rosäober», 6 SL
Die Schöllenenschlucht, in früheren Zeiten die fast unüberwindbare Schlüsselstelle auf dem Weg in den Süden, war schon in unserer Jugendzeit eine willkommene Spielwiese für Kletteraktivitäten. Vor vierzig Jahren unternahmen wir einen ersten Vorstoss mit der Route «Via Hans», mussten aber wegen bescheidenen Material- und Kletterressourcen bald wieder umdrehen. Gut zehn Jahre später konnten wir diese Route vollenden, dazwischen hatten wir aber weitere Linien wie «Fire», «Diagonale», «Wädlichlimser» und «Cliff» eröffnet.

Bedingt durch die Nähe zu unserem Wohnsitz waren wir fast in jeder freien Minute in diesen Wänden unterwegs, bohrten anfänglich noch von Hand, putzen wie die Irren Gras aus den Rissen und suchten immer wieder neue Projekte. So entstanden fast 30 Mehrseillängen-Routen verteilt über die ganze Schlucht, wobei wir auch im Bereich der Teufelsbrücke und dem Suworov-Denkmal Hand an die Felsen legten. Die lohnendsten Linien haben wir in der Zwischenzeit saniert, andere werden wohl für immer in Vergessenheit geraten. Ein Projekt, das wir noch mit Schlaghaken und Handbohrer begonnen hatten, schwirrte immer in meinem Kopf umher: «Rosäober»! Der Routenname steht in Bezug zu unserem langjährigen Kletterfreund Hans Zgraggen, der von seinen Arbeitskollegen «Rosäober» genannt wurde. Hans verbrachte etliche Stunden mit uns in der Schöllenen und anderen Wänden. Ein Anruf genügte, und Hans stand am vereinbarten Treffpunkt in Gurtnellen bereit, egal wohin die Reise führte. Leider musste er wegen Gicht-Beschwerden den Klettersport aufgeben, ist aber immer noch munter zu Fuss unterwegs.

Ich wollte nun endlich dieses dreissigjährige Projekt abschliessen. Zwar hatte ich in der Zwischenzeit (2004) einen erneuten Anlauf genommen und den unteren Teil (3 SL) saniert und geputzt. Ein weiterer Vorstoss kurz darauf musste wegen eines aufkommenden Gewitters nach wenigen, frisch gesetzten Haken wieder abgebrochen werden - der «Rosäober» fiel wieder in seinen laaaaangen Dornröschenschlaf! Am letzten Montag, dem 28. Juni 2021, griffen wir trotz zweifelhaften Wetterprognosen erneut an. Wir umgingen die ersten vier Längen auf der Route «Diagonale» und querten dann über eine Felsrampe in die «Rosäober».

Erstaunt waren wir über das munter spriessende Gras in den Rissen. Vor 30 Jahren war dieser Wandbereich fast komplett frei von Vegetation. Scheinbar wirkt der erhöhte CO2-Gehalt in der Luft und die wärmeren Temperaturen als wahrer Superdünger. Dieses botanische Hindernis liesse sich aber sicher mit etwas Arbeitseinsatz wieder entfernen. So kämpfte ich mich durch die steile Granitfluchten hoch, ersetzte die alten Bohr- und Schlaghaken durch neues Inoxmaterial und erreichte die bequeme, überdachte Nische beim nächsten Standplatz. Ab hier folgte wieder eine schöne, vegetationsfreie Platte, die im Schöllenen-Stil immer wieder feinste Leisten und Schuppen für ein Weiterkommen offerierte. Endlich stiess ich in Neuland vor und setzte in regelmässigen Abständen die Zwischensicherungen. So gelangten wir, immer einen Blick auf die bedrohlichen dunklen Wolken im Süden gerichtet, unter einen grossen Überhang. Hier sollte unsere Route enden.

Der Standplatz war rasch gesetzt, mein Bruder schon bald nachgesichert – Zeit für einen Handschlag und die dazu passende Prise Schnupftabak! Beim Abseilen übernahm Kurt die Putzarbeiten und legte sich mächtig ins Zeug. Mit seinem Sackmesser reinigte er die feinen Risse, während ich am Standplatz oben die benachbarten Kletterer am Suworov-Pfeiler beobachten konnte. Als das straffe Seil endlich gelockert wurde und von unten ein Pfiff ertönte, fädelte auch ich das Abseilgerät in den Doppelstrang. Kurt machte sich unverzüglich an die Reinigungsarbeiten der nächsten Länge.

Bald aber spürten wir die ersten Regentropfen auf den nackten Armen. Das angekündigte Gewitter kam scheinbar früher als geplant. Rasch seilten wir direkt in Richtung Wandfuss ab. Aus dem Abseilgerät saftete das warme Regenwasser, das von unseren Seilen aufgesogen worden war, auf unsere Oberschenkel. Weiter unten zeigte sich aber schon bald wieder die Sonne und erlaubte ein geordnetes Zusammenpacken des Materials.
Nun werden wir halt ein weiteres Mal im «Rosäober» angreifen und die restlichen Graspolster entfernen. Wenigstens können wir die Bohrmaschine und das ganze Zubehör getrost zu Hause lassen. Ich werde an dieser Stelle wieder informieren, wenn die Route geputzt ist und für Wiederholungen freigegeben ist. Ich hoffe, es dauert nicht wieder so viele Jahre bis zum nächsten Versuch… Besten Dank, Bruderherz, für den intensiven Klettertag in unserer geliebten Schöllenenschlucht.

Nachtrag 2. Juli 2021:
Bereits sind die ersten zwei Seillängen vom "Rosäober" sauber herausgeputzt. Nun muss nur noch die 5. Länge ordentlich geputzt werden, dann sollte die Route nach ein paar heftigen Regengüssen kletterbar sein. Im gleichen Zug habe ich in der benachbarten "Diagonale" ebenfalls die ersten zwei Längen wieder mal gereinigt und ein zerschlagenes Bohrhakenplättli ersetzt.

Nachtrag 26.07.2021
Die Route ist nun komplett geputzt und wurde von uns am 19. Juli 2021 Rotpunkt begangen. Der
Bericht zu dieser Rotpunktbegehung mit weiteren Kletterbildern und einem Topo zum herunter laden ist ebenfalls online.