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Neutour Handegg

Handegg / Sektor Bügeleisen
"an early morning walk" 7a, 5 SL
Erstbegehung

Bei der Begehung der Route "Bügeleisen" in diesem Mai erkannten wir links der Route noch Potential für eine Neutour. Wenige Tage später trug ich einen schwer beladenen Rucksack zum Einstieg hoch und wollte im gesicherten Alleingang die ersten Meter der geplanten Neutour in Angriff nehmen. Die Befürchtung, dass plötzlich jemand noch zuvor kommt, ist zwar ein Stück weit völlig irrational, aber so ganz abwegig nun doch auch nicht.

Als ich beim Parkplatz an der Grimselstrasse loslief, machte sich ein junges Pärchen ebenfalls auf den Weg in Richtung Einstieg. "Wenn die jetzt den gleichen Plan haben?" schoss es mir kurz durch den Kopf. Unwillkürlich erhöhte ich das Tempo und kam völlig verschwitzt und schwer schnaufend beim vorgesehenen Start der neuen Route an. Rasch packte ich die Bohrmaschine aus und setzte einen Markierungshaken. "Jetzt beruhige dich doch erstmal" sagte ich zu mir. Dies gelang mir dann auch, als das Paar beim Einstieg zum "Bügeleisen" ihre Rucksäcke absetzte und sich dort für die Kletterei bereit machten.

Gesichert mit dem "Grigri" kletterte ich die erste Länge hoch und setzte die nötigen Bohrhaken aus der Kletterstellung. Da ich ein 80 Meter langes Seil dabei hatte, konnte ich gleich nach der Montage der Standplatte in die zweite Länge starten. Diese erforderte schon etwas mehr Einsatz und war gleich zu Beginn etwas fordernd. Am Ende des Seils fixierte ich dieses bei einem frisch gesetzten Bohrhaken und seilte wieder ab, um intensive Putzarbeiten zu verrichten. Die in der Zwischenzeit abseilenden Kletterer in der benachbarten "Bügeleisen" bat ich freundlich darum, meine Seilfixation am Einstieg zu lösen. So konnte ich nach Beendigung der Putzerei in zwei Manövern wieder abseilen. Für heute war ich mit meinem Werk zufrieden.

Wenige Tage später begleitete mich mein Bruder Kurt. Auf der Anfahrt bemerkten wir die dunkle Föhnwalze über dem Grimselpass und gewahrten auch Regenschlieren an den Gelmerhörnern. Vor Ort in der Handegg war die Strasse noch regennass und der Föhn blies relativ zügig. Voller Hoffnung stiegen wir trotzdem zum Einstieg hoch und konnten uns im Schutz einer Grasrippe bei angenehmer Windstille anseilen. Bald war der Umkehrpunkt von meinem ersten Vorstoss erreicht. Ich kletterte gleich weiter, musste aber bereits hier schon mit dem starken Föhn kämpfen.

In der dritten Seillänge wurden wir von teils orkanartigen Böen durchgeschüttelt- kein Vergnügen bei dieser doch eher diffizilen Plattenkletterei. Bald war auch der dritte Standplatz gesetzt und ich liess meinen Bruder nachsteigen. Beim Ausklinken einer Expressschlinge erwischte ihn eine weitere, extreme Böe und warf ihn kurzerhand von der kleinen Leiste, auf der er soeben noch stand. Da ich ihn straff nachgesichert hatte, blieb es bei einem kleinen Rutscher, sein Gesichtsausdruck aber sprach Bände. So hatte es wirklich keinen Sinn, zumal die nächste Länge noch etwas schwerer und kleingriffiger aussah.

Wir fädelten die Seile in den Abseilring und wollten sie über die Platte runterwerfen. Stattdessen flogen die farbigen Leinen horizontal in Richtung Guttannen und verhedderten sich zudem noch in einem Arvenbusch. Nun hatten wir die Bescherung! Irgendwie konnten wir den Pulk wieder lösen und erreichten arg durchfroren den windstillen Einstieg. Eine Seilschaft im "Bügeleisen" wendete auf gleicher Höhe und musste ebenfalls einsehen, dass man bei diesem Starkwind einfach nicht klettern kann. Wir waren enttäuscht und frustriert, da bei normalen Bedingungen ein Durchstieg in wenigen Stunden wohl machbar gewesen wäre. Nun, erzwingen lässt sich nichts und die Wand läuft sicher nicht davon.
So fuhren wir in Richtung Brünigpass und gönnten uns - ebenfalls im Starkwind - die Durchsteigung der "Transsibiria" an der Tschorrenfluh.

Der dritte Anlauf erfolgte Ende Juni an einem wettermässig zweifelhaften Sonntag. Die Prognosen und der Regenradar versprachen bis um 14 Uhr eine trockene Phase. Dieses Zeitfenster wollten wir nutzen und fuhren um 6 Uhr in der Früh los. Um Viertel vor Acht begann unser "Morgenspaziergang" mit der ersten, noch einfachen Länge. Der Südwestwind schaufelte immer wieder Gewölk über die Bergkette, es blieb aber mehrheitlich klar. Da nur noch gut sechzig Meter zuzm "Gipfel" fehlten, hängten wir alles erforderliche Material (20 Bohrhaken und zwei Standplatten) an den Gurt. Die Bohrmaschine schulterte ich wie gewohnt und trug sie bequem am Rücken.

Rasch waren auch die zweite und dritte Länge, die wir im Föhnsturm eingerichtet hatten, geklettert. Wie viel angenehmer präsentierte sich das Ganze heute. Die Temperatur empfanden wir als perfekt und nur ein laues Lüftchen wehte uns um den grauen Bart. Es stellte sich nun die Gretchenfrage, wo genau wir mit der neuen Linie durchwollten. Vor Ort stellte sich uns ein glatter Bauch in den Weg, der aber iregndwie machbar schien. Bereits beim ersten Bohrhaken zählte ich die Sekunden, bis der Bohrer sich tief genug in den harten Granit gefressen hatte. Ich stand äusserts delikat in einer kleinen Mulde und konnte den anderen Fuss nur an die Wand lehnen. Dank einer kleinen Schuppe und einem hoch angestzten "Mantle" öffnete sich der Weiterweg auf ein Bändchen, wo der zweite Bolt versenkt wurde. Die ansetzende kleine Verschneidung war schliesslich der Schlüssel zu dieser vierten Seillänge.

Die vermutete Schlusslänge präsentierte sich nochmals steiler. Ein leicht ansteigender Linksquergang vom Stand weg, verschaffte mir den ersten marginalen Höhengwinn. Mit einem Spreizschritt nach rechts gelang es mir, die nächste Bohrposition zu erreichen. Auch dieser Bolt musste mit schmerzenden Waden und langsam einsetzenden Krämpfen erlitten werden. Ein delikater Schritt links zurück, der nur dank einem Fingerloch machbar war, brachte mich etwas höher und erlaubte das nächste Ansetzen der Bohrmaschine. Nun folgten noch ein paar sehr, sehr heikle Aufsteher, bis ich endlich in einfacheres Gelände vorstossen konnte. Die letzten drei Klettermeter verliefen gemeinsam mit der Route "Bügeleisen", die von rechts kommend einmündet und zum Schlusstand führt. Diese Länge hatte mich nun echt gefordert, löste sich schlussendlich aber wunderbar auf. Die ersten Befürchtungen, dass der Durchschlupf nicht frei kletterbar sein könnte, verpufften glücklicherweise und wir freuten uns über das gelöste Rätsel.

Während dem Abseilen harkten wir mit dem mitgeführten Pickel die Grasbüschel aus den spärlichen Rissen und reinigten die Route so gut als möglich. Dies war ein Job für meinen Bruder, während ich am Standplatz genüsslich mit der Schnupfdose hantierte. Um Viertel vor Zwölf standen wir wieder am Einstieg unten. Ein kurzer Wettercheck: Für die benachbarte "Bresil" sollte das trockene Wetterfenster eigentlich noch knapp reichen. Den Bericht dazu findest du hier.

Die neue Route nennen wir "an early morning walk", passend zu unserem frühen Aufbrechen an diesem Tag. Sie bietet 5 Seillängen in teils gut strukturiertem Granit, der eigentlich völlig atypisch für die sonst glatt polierten Handeggfluchten ist. Die Schwierigkeiten nehmen gegen oben hin kontinuierlich zu (5b, 6a+, 6a, 6b, 7a). Obligatorisch sollte man 6b klettern. Die Absicherung ist fair ausgefallen, zusätzlche Legemöglichkeiten sind praktisch inexistent. Viel Spass allen Wiederholern.